Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Koch macht Ypsilanti zur Bundespräsidentin und Bahnchef Mehdorn wird die knuffigste Boygroup der Welt. Doch solange jeder, der SPD-Chef werden will, eine neue SPD gründet, muss sich Merkel nicht fürchten.
t az: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Friedrich Küppersbusch: Allseits mehren sich Stimmen, die eine zweite Amtszeit für Bundespräsident Köhler fordern. ("Horst-Case-Szenario")
Was wird besser in dieser?
Roland Koch schlägt Andrea Ypsilanti als Bundespräsidentin vor. Er will sie weghaben, Beck will sie weghaben, und damit ist sie für die Linkspartei wählbar. Nach der Bayernwahl ergibt das eine knappe Mehrheit in der Bundesversammlung gegen Union und FDP.
Die SPD will die Bahn ein bisschen privatisieren. Ist es eigentlich nötig, die Bahn zu privatisieren?
Die Bahn ist bereits seit 94 AG und muss auf ihrem Schienen Wettbewerber, nun ja, zum Zug kommen lassen. Der Jubel über die seitdem großartige neue Bahn kennt ja auch keine Grenzen, Fahrpreise sinken, niemand hätte mehr Lkws gesehen, Mehdorn gilt als knuffigste 1-Mann-Boygroup der Welt (Hitsingle "Wer hat denn den Käse zum Bahnhof erklärt") usw. - Steuerzahler und Kunden haben die ehemalige Bundesbahn viermal bezahlt: im Aufbau per Steuern, im Unterhalt und Betrieb aus Tickets und nach der Überschuldung wieder aus Steuern. Da die Bahn uns also viermal gehört, wäre ein Verkauf mehrfacher Diebstahl. Oder eben sozialdemokratisch.
Was bräuchte die Bahn?
Einen Konsens darüber, dass Massentransport so wenig schieres Business ist wie Gesundheitspflege oder auch Fernsehen. Aus Verkehrskollaps, Umweltverpestung, auch jämmerlichem Versagen der Industrie bei Innovationen folgt: Es gibt, schmutziges Wort, in diesem Bereich Lenkungsbedarf. Sonst kommen die Privatbahner nämlich - siehe soeben Privatbanker Ackermanm - hinterher an und rufen: "Ober, zahlen!"
In der SPD läuft ein Ausschlussverfahren gegen Wolfgang Clement. Der SPD-Linke Detlev von Larcher wurde schon rausgeworfen, weil er zur Wahl der Linkspartei aufgerufen hatte. Sind solche Ausschlüsse legitimes Recht einer Partei - oder Hysterie?
Das Schreckensregime der Kleingärtner. Laubenpieper winken mit der Schreberbibel. Einen Clement muss die SPD aushalten, wenn sie die derzeitige Aufhellung bei Arbeitsmarkt und Konjunktur für sich reklamieren möchte. Die von Larchers weisen nur auf den viel älteren, sehr anständigen, aber eben doch: Fehler der SPD hin: Sie hatte marodierenden Ex-SEDlern und heimatlosen Linken nichts anzubieten. Inzwischen sind viele Positionen von SPD, Linkspartei und Grünen näher beieinander als, sagen wir mal, die Widersprüche in der Union. Aber solange jeder, der SPD-Chef werden möchte, noch eine SPD gründet, muss sich Merkel da keine Sorgen machen.
Bringen die Störungen des Fackellaufes etwas?
Ja, es nervt. Vor allem die billige Vordergründigkeit: Chinas Politik war exakt so wie heute, als ihm die Spiele zuerkannt wurden. Wurde Peking ausgewählt, weil sich da alle mal drauf auskotzen wollten?
Die Bundesregierung will die Olympiade in Peking nicht boykottieren. Ist das richtig?
Olympia 1980 in Moskau wurde westlicherseits boykottiert, weil die Sowjets in Afghanistan Krieg führten. Wenn jeweils der nicht mitmachen darf, der gerade in Afghanistan rumballert, hat sich die Frage aus deutscher Sicht ja geklärt. Die hemmungslose Romanze mit dem Schmunzelpapst aus Tibet kulminiert zum ausgewählten Zeitpunkt: Vor ein paar Jahren noch weigerte sich Außenminister Kinkel, den Gebetsschal des Dalai Lama umzulegen, weil er China nicht beleidigen wollte. Heute sind wir alle Dalai. Das Potenzial, geräuschlos und ohne falsche Verklärung des Gottesfürsten beide Seiten an den Tisch zu bringen, hat die deutsche Außenpolitik, drolligerweise dann auch die grüne, vergeudet.
Bild macht eine Kampagne gegen die Rentner-Republik. Ist es eine ernsthafte Gefahr, dass Politik sich zu sehr nach älteren Wählern richtet - oder ist das Panikmache?
Hohe Ratgeber wurden im alten Ägypten mit ihrem verstorbenen Pharao in dessen Pyramide eingemauert. Diesem Schicksal möchte das Rentner-Zentralorgan Bild entgehen. Zu Unrecht.
Warum hat Bayern München eigentlich immer Glück?
Sonst wäre es nicht Bayern München, sondern ein sympathischer Club mit vielen ehrlichen Fans.
Und was macht Borussia Dortmund?
Beendet Voriges.
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