Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Die USA gründen die Obarmer Ersatzkasse, die Gewerkschaften übernehmen Opel – und der 9. November wird verpennt.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: FDP will private Krankenversicherung bevorzugen.
Was wird besser in dieser?
USA gründen Obarmer Ersatzkasse.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Nato-Angriffs in Afghanistan gegen die Bundeswehr. "Support our troops" geht anders, oder?
Nach dem Zivilrecht wäre Oberst Klein hundertfachen Totschlags verdächtig. Die Bundesanwaltschaft prüft hingegen, ob nach dem Völkerrecht Anklage zu erheben ist. Dann handelte es sich nicht mehr um ein "robustes Mandat", sondern um einen "nicht internationalen bewaffneten Konflikt", vulgo: einen Bürgerkrieg.
FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.
Das brächte zwar Aussicht auf mildere Bewertung, Oberst Klein hätte dann sozusagen milieugerecht über 100 Tote auf dem Gewissen, wo jehobelt wird, jewissamaßen, hehe, meine Herren, schwere Zeit damals. Eine unvergessene deutsche Militäraktion in einem auswärtigen Bürgerkrieg war Hitlers "Legion Condor", die 36 Jahre Franco-Diktatur in Spanien herbeibombte. "Nicht internationaler bewaffneter Konflikt"?
Nach dem Völkerrecht hingegen wäre erst mal zu klären, was wir in einem "nicht internationalen bewaffneten Konflikt" zu suchen haben. Völkerrechtlich anerkannt? Oder ist der Konflikt sehr wohl international und also Krieg? Dann ist die Verfassung gebrochen. Der Krieg wäre, ebenfalls verfassungswidrig, nicht erklärt noch beschlossen.
Und schließlich - geht die Befehlsgewalt über die Bundeswehr im Kriegsfalle auf die Kanzlerin über, Guttenberg wäre raus. Nach Opel schon wieder Glück. Kollateralnutzen: verheerender Luftschlag gegen das Lügengebäude der Bundesregierung. Respekt, Kameraden.
Apropos Bundeswehr: Er macht ja eigentlich gar keine schlechte Figur, der Kriegsminister zu Guttenberg, nicht wahr?
Mit Blick auf Jungs Erbe in Afghanistan und Guttenbergs bei Opel: War das noch ne Kabinettsumbildung oder schon organisierte Fahrerflucht? Die Magna-Lüge nach der Wahl implodiert, die Kriegslüge in Afghanistan offenbar: In ihren angestammten Ämtern wären beide Minister heute nicht mehr tragbar. Allen, denen der schwarze Baron die Kriegsähnlichkeit erklärt, erkläre ich schon mal vorbeugend meine unbedingte Friedensähnlichkeit. Und da halte ich meine für die deutliche Mehrheitsposition in der Bevölkerung.
Die Opel-Rettung hat ja toll geklappt. Was ist nun im Arbeitskampf zu erwarten?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Daimler, VW, BMW, Audi, Porsche, selbst Ford und alle unter "ferner fuhren" nicht jedem fähigen Entwicklungsingenieur bei Opel ein attraktives Angebot gemacht haben. Seit einem Jahr quatscht und schwallt es von allen Seiten über den Opel-Untergang, und wer so bekloppt ist, trotz bester Jobaussichten weiter im Keller der glucksenden "Titanic" rumzulöten, hat nichts Besseres vor.
Ich wünschte mir einen Arbeitskampf, in dem nicht zigfach verratene Mitarbeiter neue Chefs verlangen, die sie noch besser verraten. Sondern ein Buy-out, in dem mittleres Management und Gewerkschaft Verantwortung übernehmen. Mag sein, dass sie Opel an die Wand fahren. Da wären sie nicht schlechter als die überbezahlten Manager bisher.
Ist Kanzlerin Angela Merkel durch den geplatzten Magna-Deal von ihrem Freund im Weißen Haus vorgeführt worden?
Hat Obama seine neue Freundin Merkel charmiert, indem er die Magna-Lüge ein paar für sie wahlentscheidende Wochen lang nicht dementiert hat?
Die Sozial- und Wohlfahrtsverbände drohen mit einem Aus für den Zivildienst. Wer leert die Bettpfannen?
Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband lärmt rum, und wenns am Ende deshalb Staatsknete für wichtige Pflegeaufgaben gibt, hat er alles richtig gemacht. Schon bei rot-grünen Plänen, Wehrpflicht und damit Zivildienst abzuschaffen, wurde ungefähr 1 Milliarde an Trostpflastern aufgerufen.
Ich war, vor 25 Jahren allerdings, beim DPWV eingesetzt; die Unterweisung dauerte zwei Tage, und ab da hing ein Schwerstbehinderter 15 Monate rund um die Uhr von einem Zivi-Kollegen und mir ab. Der DPWV-Protest dagegen hielt sich in Grenzen. Der Zivildienst ist eine der schönsten humanistischen Errungenschaften der Deutschen. So was lassen wir natürlich nicht auf uns sitzen.
Die Schweinegrippe ist einfach nicht auszurotten. Lassen Sie sich jetzt vielleicht doch langsam mal verrückt machen?
Nein, ich möchte noch Hausbesuch von Pharma-Referenten.
Ähnlich schwer zu ignorieren: der Mauerfall. Ein letzter Satz zum 9. November?
Ich würde alles wieder so machen. (Verpennen und am nächsten Morgen für einen Witz halten.)
Und was treiben die Borussen?
Bemerkenswert uneuphorisch, routiniert, jeden Samstag Kirche voll und doch nichts mit dem Titel zu tun. Der Club verbringt ein Jubiläumsjahr exakt auf der gefühlten Mitte aller Extreme der letzten 100 Jahre. Was würdig sein mag und langweilig ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen