Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Rainer Brüderle wird überschätzt, Westerwelle lernt langsam, und die Deutschen sind seltsam fromm.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: FPÖ kündigt Expansion nach Deutschland an.
Was wird besser in dieser?
Wenn die kommen, weiß ich, was Überfremdung ist.
Loki Schmidt ist gestorben. Wo wird sie uns besonders fehlen?
Schmidt hat politisch der Genius Loki stets gefehlt: Der SPD-Kanzler machte wichtige Politik, die Frau daheim liebte die Natur und engagierte sich für Blümchen. So wurde Schmidt ein Gründungsvater der Grünen, zumal ja bitte zum Arzt gehen möge, wer Utopien habe. Eigentlich hat Loki schon gefehlt, als sie noch lebte.
Renate Künasts OB-Ambitionen für Berlin sind fast schon sicher. Könnte sie Liebling "Wowi" aus dem Amt boxen ?
Wollja! Renaturisierung Berlins! Mal vorneweg ein anderer Kracher: Die aktuelle Bundesregierung hat in ihrer Hauptstadt noch 16 Prozent CDU + 3 FDP Prozent = 19 Prozent in Umfragen. Dagegen hatte die SED am Ende der DDR immerhin komfortable 25 Prozent. Das werden auch Künasts Risiken: Die Linken bieten jetzt schon Zusammenarbeit an - "Grün-Links" wird die noch stets mächtige Springerpresse in Berlin zur Mutter aller Monster aufblasen. Es liegt noch ein sattes Jahr Umfragen - Inferno vor allen Beteiligten. Wowereit hackt bereits auf die "Rückfahrkarte" der Kandidatin ein.
Friedrich Küppersbusch ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) prognostiziert 3,4 Prozent Wirtschaftswachstum für 2010, die Rede ist von einem zweiten Wirtschaftswunder. Grob überschätzt?
Brüderle? Ja. Der Sit-down-Comedian der Bundesregierung hat es beim G-20-Gipfel geschafft, die US-Finanzpolitik "planwirtschaftlicher Elemente" zu zeihen. Im Universum des kleinen Rainer bist du FDP oder Kommunist. Mit Merkel kritisiert er Sarkozy, mit Westerwelle kritisiert er Merkel für ihre Haltung gegenüber Sarkozy. Mit Kauder fordert er Lohnerhöhungen, während seine Kundschaft, die Wirtschaftsverbände, genau das nicht wollen. Brüderle hat, wie sein Amt, näherungsweise kaum Kompetenz und macht davon rege Gebrauch.
Das neue GEZ-Modell ist auf dem Vormarsch. Selbst ohne Fernseher soll man Gebühren zahlen. Gerecht?
Pragmatisch. Wo genau Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bezogen werden, lässt sich ab Internet nicht mehr wirklich zurückverfolgen. Und also auch nicht mehr angemessen in Rechnung stellen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn jeder zahlt, muss auch alles auf den Tisch. Die Beschränkungen der ÖR im Internet - was Archivleistungen wie aktuelle Produktion angeht - sind eine diebstahlähnliche Konstruktion. Wir zahlen für Programme, die wir nach 7 Tagen nicht mehr sehen dürfen: gaga. Die ÖR existieren, weil die Gesellschaft das will - wie etwa ein öffentliches Gesundheitswesen oder Schulen. Diesen Konsens vorausgesetzt muss es finanziert werden. Für das staatliche Gesundheitswesen zahlen auch und gerade die, die nicht krank sind.
Frankreichs Rentendebakel bringt "le peuple" auf die Straße. Trotz S 21: Sind wir, verglichen mit den Nachbarn, revolutionsfaul?
Bei der Einführung der Kopfpauschale, der neuerlichen Erhöhung der Kassenbeiträge und der Auswilderung der Arbeitgeber aus der Parität dachte ich: Wenn die SPD nicht ganz doof ist, kriegt sie damit die Leute auf die Straße. Vielleicht sind wir beide doof, SPD und ich. Die Franzosen ereifern sich wegen eines Rentenalters, von dem wir in Deutschland nur träumen können: 62 statt 60 Jahre. Dummerweise ist die frühere Partei der kleinen Leute bei uns die Partei der Kleinlauten und hat das auf 67 hochgepfuscht. Und, ja, die Deutschen sind seltsam fromm, wenn es um die Wurscht geht, und erstaunlich widerborstig, wenn sie nur Bahnhof verstehen. Auch gut.
Westerwelle ätzt gegen Merkel wegen ihres Neins zu Strafen für überschuldete EU-Staaten. Wie viel Opposition steckt noch im Vizekanzler?
Er lernt langsam, erstaunlich langsam. Die Beliebtheit eines Außenministers rührt vor allem daher, dass Streit in der deutschen Außenpolitik traditionell nicht stattfindet. Außenminister sind, anders als KanzlerInnen, fast bundespräsidiale Gestalten. Westerwelle hat nun fürs Pöbeln einen Generalsekretär gefunden - gut. Für den FDP-Vorsitz hat er nur sich selbst im Sinn, und schon geht ihm das als Außenminister wieder schief.
Und was machen die Borussen?
"Wenn du dieses Trikot tragen willst, musst du es dir verdienen", schwulstet der Club in einem Werbespot. Drunter schreiben Fans auf die clubeigene Seite: "Wenn du dieses Trikot tragen willst, werden wir verdienen." Na ja und zirka gefühlte 50 Einträge, dass die im Spot kurz gezeigte "Süd" das Allertollste sei sowieso. Alles okay bei den Fans so weit.
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