Die Welt staunt über Bremens Biker

■ Der Bremer Sprint-Kurierdienst stellt einen Weltmeister und eine Vizeweltmeisterin

Seit der Weltmeisterschaft der Radkuriere am 12. und 13. August weiß man auch in Toronto, wie man Bremen ausspricht. Denn aus dieser Stadt in Germany stammt der Sieger: Lars Urban, Weltmeister aller Messengers. Und das ist noch nicht alles: Ebenfalls im Trikot des Bremer „Sprint“-Teams sauste Andrea Hilken als Vizeweltmeisterin über die Ziellinie der eigens in Toronto aufgebauten Kurier-City.

Während Lars Urban, seit wenigen Monaten Deutscher Meister, seinen WM-Sieg bereits vor der Reise angekündigt hatte, ist der zweite Platz von Andrea Hilken eine große Überraschung. Schließlich stand die 26jährige Studentin erst seit 13 Monaten in den Kurier-Pedalen und verfügte über keinerlei Wettkampferfahrungen. Bis kurz vor Beginn der WM war sie unentschieden, ob sie überhaupt teilnehmen sollte. Doch dann kam der Kick. Auf dem tausend Kilometer langen Weg von New York nach Toronto, den sie gemeinsam mit Lars und den vier anderen Bremer Sprintern branchengemäß per Fahrrad zurücklegte, lief alles wie geschmiert. „Das war ein prima Training. Lars hat ordentlich angezogen, und ich war nicht die langsamste“, erfuhr sie (sich) täglich neues Selbstbewußtsein.

„Das letzte Zückerchen hat sie dann beim Rennen gekriegt“, grinst der große Meister, der seiner Team-Kollegin während der Vorläufe der etwa 60 Frauen mit Rad und Tat zur Seite stand. Nachdem Andrea Hilken Vizeweltmeisterin der Frauen geworden war, ging sie noch einmal an den Start und belegte im gemischten Finale der Besten den 17. Platz. „Ich habe immerhin mehr als 30 Männer hinter mir gelassen“, bilanziert sie stolz.

Das war umso schwieriger, als einige der etwa 500 TeilnehmerInnen aus 14 Nationen ansonsten gar keine Fahrradkuriere sind, sondern professionelle Radsprinter. Zum Ärger von Lars Urban, denn Leute, die ihr Geld bei 6-Tage-Rennen verdienen, haben bei Wettkämpfen der Radkuriere eigentlich nichts zu suchen, meint er. „Aber ich habe ja trotzdem gewonnen, das ist die Hauptsache.“

Mit Glück, versichern die BremerInnen, haben ihre Siege nichts zu tun. Entscheidend ist vielmehr die Kombination von sportlicher Fitneß, Intelligenz und Reaktionsvermögen. Der Kopf muß ebenso schnell arbeiten wie die Beine, und das war bei Lars Urban zumindest am Finaltag der Fall: „Am Sonntag hatte ich meinen Zenit“, sagt er. „Da hätte ich mich nur selber schlagen können.“

Ein bißchen Glück war aber doch im Spiel. Anders als bei der WM 1994 in London, bei der Lars Urban dreimal die Reifen wechseln mußte und nur sechster wurde, hielten Rahmen und Räder dem torontischen Horrorparcours stand. Die von 10.000 ZuschauerInnen gesäumte Route führte über Schotterpisten und Schienen, durch Schikanen und Halfpipes. Für ordnungsgemäß zugestellte Sendungen gab es an den Checkpoints einen Stempel ins Papierchen. Diese „day-sheets“ mußten sauber abgeliefert werden, sonst setzte es eine Zeitstrafe. Andrea, die an ihrem von rüden Mannen ins Gebüsch beförderten Rad die Kette neu aufziehen mußte, wäre beinahe über die Hygienregel gestolpert. Doch sie schaffte es, trotz ölverschmierter Finger ihr day-sheet sauber zu halten.

So ernst jedoch, wie die Regeln nahelegen, ging es beim Rennen dann doch nicht zu. Einige Fahrer, die ihr kostbares Blatt verloren hatten, gaben kurzerhand die Arme zum Abstempeln frei. Selbst bei härtester Konkurrenz stand bei der WM der Radkuriere der Spaß im Vordergrund. Andrea, die erst vor wenigen Tagen zurückkehrte und noch unter dem Jetlag leidet, denkt daher jetzt schon an die WM in San Francisco. „Ich bin dabei, allein schon, um die Leute wiederzusehen.“ dah