Die Wahrheit: Eine unverhoffte Eheschließung
Wer als 13-Jähriger auf seltsame Art und Weise verheiratet wird, tut gut daran, einen solchen Vorgang zu notieren.
V or Jahren ist unter weitestgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit an geheimer Stelle ein ähnlicher Text wie dieser erschienen. Doch unterscheiden sich Anfang, Schluss und beteiligte Personen beider Version deutlich von einander. In der hier vorliegenden lief ich als Dreizehnjähriger abends im Freien herum, es war Spätherbst oder Winter.
Plötzlich gewahrte ich etwas, das sich beim Näherkommen als etwas irgendwie Wanderzirkusartiges herausstellte. Ich konnte ein winziges Zelt erkennen, einen Wohnwagen mit Licht in den Fenstern, eine Zugmaschine und eine Art Käfigwagen. Dieser Anblick verblüffte mich, unwillkürlich blieb ich stehen und machte, nicht zuletzt wegen der Dunkelheit, große Augen. Da wurde die Tür des Wohnwagens geöffnet. Im herausfallenden Lichtschein tauchte ein korpulenter älterer Mann auf, grüßte mich freundlich und sagte: „Es ist alles fertig, wir können anfangen.“
Weil ich glaubte, entweder nicht richtig gehört zu haben oder mit jemandem verwechselt zu werden, verharrte ich unschlüssig. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Mir wurde klar, in welcher Gefahr ich schwebte. Mutterseelenallein im Dunkeln unterwegs, durfte ich mich keinesfalls von einem Unbekannten in seinen Wohnwagen locken lassen.
Meine Familie wusste nicht, wo ich war, Hilfe gab es weit und breit keine. Also war es das Beste, nach Hause zu laufen. Eine Sekunde bevor ich meinen Entschluss in die Tat umsetzen konnte, sprach mich der Mann in der hellen Türöffnung mit meinem Vornamen an und sagte: „Keine Angst, ich bin nicht vom Finanzamt. Du hast doch gehört, was ich gesagt habe: Es ist alles fertig, wir können anfangen. Nun komm endlich!“
Ich traute mich nicht zu fragen, womit wir anfangen konnten. Ich hasste mich selbst dafür, aber ich gab nach und näherte mich dem Wohnwagen. Das Licht, auf das ich zuging, fand ich plötzlich so verlockend, dass ich alle Bedenken vergaß. Während ich die hölzerne Treppe zur Tür des Wagens hinaufstieg, sah ich, dass dem Mann ein goldener Lappen am Mund taumelte. Ich trat ein. „So ist es recht“, sprach der Mann zu mir, „darf ich dir meine Tochter vorstellen?“ Indem er dies sagte, entstand in der Luft vor mir ein Mädchen, eine junge Frau, vielleicht zwei, drei Jahre älter als ich und, wie ich fand, mit dem Aussehen eines Engels. Ihr Blick widersprach diesem Eindruck allerdings.
Etwas hilflos versuchte ich, den Raum, in dem ich stand, optisch zu erfassen. Dabei kam ich nur bis zu einem kleinen Affen, der links von mir vor einer Lampenfassung saß und Glühbirnen ein- und ausschraubte. Ich konnte mich nicht einmal angemessen darüber wundern, denn der Mann erklärte das Mädchen und mich überraschend für verheiratet. Anschließend schob er mich zur Tür hinaus und sagte: „Nun geh heim und grüß schön.“
Im nächsten Moment lief ich draußen die Holztreppe wieder hinunter. Ich verstand gar nichts. War ich nicht viel zu jung zum Heiraten? Und warum ging ich allein nach Hause, wenn ich frischverheiratet war? Was sollte das alles?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!