Die Wahrheit: Shakespeares Porno
Wie heißt der Romantitel? Im Sommer des Jahres 1978 reiste ich quer durch Europa und gelangte auch nach Paris.
Bei meinen Wanderungen durch die Stadt entdeckte ich eines Tages in der Rue de la Bûcherie das legendäre Antiquariat Shakespeare & Company. Zwar war die alte Buchhandlung vorwiegend auf englische Literatur spezialisiert, aber in einigen entlegenen Stapeln fand ich auch ein paar deutschsprachige Titel, darunter einen Roman, dessen Einband deutliche Gebrauchsspuren aufwies. Auf dem Umschlag war die Zeichnung einer nackten Frau zu sehen, die mit einer eher ungelenken Geste auf das Zentrum ihrer gespreizten Beine verwies. Der Romantitel war dagegen beinahe so seriös wie die Verlagsangabe. Erschienen war das obszöne Machwerk laut Impressum 1966 im Goethe-Verlag in Weimar. Offensichtlich dienten die Orts- und Verlagsangabe nur der Tarnung.
Wie alt ich denn sei, wollte der Buchhändler wissen, als ich ihn nach dem Preis fragte. Alt genug, antwortete ich. Nur widerwillig trennte er sich von dem anstößigen Schinken und doch auch ein wenig froh, dass er ihn endlich los war. Ich aber las den Roman in wenigen Stunden durch. Wenn ich auch nicht viel Erfahrung mit pornografischer Literatur hatte, merkte ich schnell, dass ein Mann der Autor sein musste, obwohl angeblich eine junge Frau ihre Erlebnisse schildert: Als Unschuld vom Lande gerät sie in die Hände eines "Barons" und gibt sich gemeinsam mit ihrem Liebeslehrer fantasievollen Ausschweifungen sexueller Natur hin, um ihren Meister schließlich bei einem grandiosen Fest in einem Nahkampf der besonderen Art zu besiegen.
Der Roman reiste mit heim und verschwand im hintersten Regal und wäre sicher in den nächsten Jahren bei einem Umzug verloren gegangen, wenn er sich nicht jedes Mal, sobald ich ihn aussortieren wollte, heftig dagegen gesträubt hätte. So viele Erinnerungen an schöne Stunden, gurrte er stets Mitleid erregend und schaffte es so immer wieder, eine neue Runde im Leben mitdrehen zu dürfen.
Im Jahr 1993 fiel mir dann eine abseitige Literaturzeitschrift in die Hände, der ein bekannter Schriftsteller ein ausführliches Interview zu Leben und Werk gegeben hatte. Der Dichter mit dem mittlerweile sehr klangvollen Namen berichtete, dass er während seiner Studienzeit einen pornografischen Roman verfasst hatte. Das horrende Honorar hätte ihm das Überleben in einer schwierigen Lage gesichert. Den Titel wollte der Großdichter nicht nennen, aber er beschrieb leicht amüsiert Teile der Handlung seiner "zum Glück längst verschollenen Bums-Schmonzette", wie er sagte. Es war der Pariser Pornoroman, wie ich sofort an den Zitaten erkannte.
Ich konnte nicht anders, ich musste den Schriftsteller mit meinem Fund konfrontieren. Er schrieb gelassen zurück, dass ich Recht hätte mit meiner Vermutung, er sei der Autor. Außerdem bedankte er sich für mein Lob des wunderschönen Titels, in dem er der Korrespondenz eine Art Rätselgedicht beifügte, das den Romantitel auf eine seltsame Weise verschlüsselt.
Der Name des Schriftstellers soll an dieser Stelle verschwiegen werden, aber mit seiner ausdrücklichen Genehmigung dürfen wir die Zeilen heute verwenden: als das literarische Wahrheit-Rätsel des glutheißen Sommers 2010. Aus jeder Zeile zwischen den Schrägstrichen ergibt sich ein Wort, und die fünf Worte zusammen ergeben den Romantitel: "Der kleine englische Tod ereilte / Sidney in der dunklen Hitze, / als ein gekürzter Abkömmling / ohne Schläfer nachtaktiv zwischen sechs und acht Uhr / o. N. ohne ohne war."
Einsendungen mit der Lösung können Wahrheit-Leser per Mail an wahrheit@taz.de oder als Postkarte an taz, die tageszeitung, Die Wahrheit, Rudi-Dutschke-Straße 23, 10969 Berlin, Stichwort "Sommerrätsel", schicken. Einsendeschluss ist Freitag, der Dreizehnte, genauer: der 13. 8. 2010. Bei Postkarten gilt das Datum des Poststempels. Der Gewinner oder die Gewinnerin wird aus den Einsendungen ausgelost. Zu gewinnen gibt es wie üblich eine Flasche Brandy aus dem Hause "Grand Duque d´Alba", in Wahrheit-Kreisen auch als "die große Ente" bekannt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Völlig ausgeschlossen ist auch, dass der Name des Schriftstellers preisgegeben wird. Die Wahrheit-Redakteure haben beim Barte des Propheten geschworen, seinen Namen erst auf dem Totenbett zu verraten.MIR
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