Die Wahrheit: Der Dampfflüsterer
Wahre Helden der Energiewende: Die glorreiche Rolle des bayerischen Notstromkraftwerks Markus Söder beim deutschen Atomausstieg.
Das größte Problem ist das Stillhalten. Der bayerische Umweltminister Markus Söder ist ein Energiebündel, das es normalerweise nie länger als zwei Halbsätze an einem Fleck aushält. Doch jetzt, da eine neue Vision das Leben von Markus Söder bestimmt, muss er sich zusammenreißen. Stillstehen für eine Sache, die größer ist als persönliche Befindlichkeiten. Eine Sache, von der Wohl und Wehe unseres Landes abhängt, aber auch Wohl und Wehe von Söder und der CSU: der Atomausstieg.
Seit der Ausrufung der Energiewende bleibt in Bayern kein Stein mehr auf dem Trockenen - Undenkbares wird denkbar, Unsägliches sagbar, Tabus werden gebrochen und Pardon nicht gegeben. Doch die Kuh ist noch nicht vollständig in trockenen Tüchern - wie nämlich soll man den Atomausstieg bewerkstelligen, ohne dass zwischen Zwiesel und Zusmarshausen die Lichter ausgehen? Hier sind ganze Männer gefragt, Felsen in der Brandung, Kerle mit Donnerkraft, die sich nicht zu schade sind, auch mal selbst mit Hand anzulegen beim großen Werk. Männer wie Markus Söder. Der begnadete Schnellsprecher hat sich bereit erklärt, in Spitzenlastzeiten als mobile Einsatzreserve persönlich für den benötigten Strom zu sorgen.
Möglich macht dies eine innovative Turbinentechnologie, die die in Söders Sprechblasen enthaltene heiße Luft in hochwertigen Strom verwandelt. Sagenhafte 70 Prozent Wirkungsgrad attestieren die Siemens-Ingenieure dem menschlichen Notstromaggregat der CSU. Voraussetzung aber ist, dass Söder stillsteht und die reibungslose Stromeinspeisung der von ihm angetriebenen Dampfturbine ermöglicht. "Herr Söder macht seine Sache aber sehr gut", lobt ihn Chefentwickler Wolfgang Bruckmoser, "das sind absolute Spitzenwerte, die der verehrte Herr Umweltminister da auf die Beine stellt." Die früher ungenutzt verpuffende Abluft des Ministers kann so dem großen Ziel dienstbar gemacht werden. Allein die in einer durchschnittlichen Parteitagsrede enthaltene Energie kann die Stromversorgung einer mittleren Kreisstadt in Franken sicherstellen. Dass der Umweltminister während seiner Rede in einer Art Faradayschen Käfig stehen muss, nimmt der Politprofi gelassen: "Für die bayerische Umwelt würde ich mich auch in eine Zwangsjacke stecken lassen."
Dampfturbinen-Kraftwerke vom Typ Söder-I sind nach Meinung vieler Experten eine hervorragende Ergänzung zu Solaranlagen und Windstromparks. Wenn deren Leistung wegen des Wetters schwankt, kann der hocheffiziente Dampfplauderer der CSU einspringen. Allerdings hat er einen gravierenden, systembedingten Nachteil: Er lässt sich viel schlechter regeln als konventionelle Kraftwerke. Söder-I kann praktisch nur unter Volldampf arbeiten, ein Herunterregeln des Jungdynamikers auf den Pegel eines Dampfflüsterers ist bislang gescheitert. Und dieser Energie-Überschuss kann schnell zum Problem werden. Die großen Metallschaufeln in der Gasturbine, die die einströmende Luft Söders verdichten, müssen höllische Belastungen aushalten. Hat sich Söder erst mal in Rage geredet, zerrt die Fliehkraft mit tausendfacher Erdbeschleunigung an den Schaufeln, die mit dem Tempo eines Tornado-Jets Zehntelmillimeter an der Nasenspitze des Umweltministers vorbeirasen. Hier ist Stillgestanden eine Frage von Sein oder Nicht-Sein.
"Markus Söder hat einfach zu viel Power", erklärt Ministerpräsident Horst Seehofer nicht ohne Stolz auf sein fränkisches Energiebündel. Der auf grün umgepolte Landesvater ist sich sicher, dass Bayern im Wettbewerb um die Innovationsführerschaft bei den erneuerbaren Energien gegenüber Baden-Württemberg die Nase vorn hat. Und für das Problem mit dem Stillhalten hat Seehofer auch eine Lösung. "Wenn Herr Söder das mittelfristig nicht auf die Reihe kriegt, müssen wir ihn eben zu einem stationären Kraftwerk umrüsten", doziert er mit diabolischem Grinsen, "indem wir ihm ein solides Fundament verpassen und seine Beine einbetonieren."
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