Die Wahrheit: Das marginalisierte Ei

Der Osterhase ist ein Idiot. Rechtzeitig zu Ostern kam heraus, dass sich das eierlegende Langohr immer noch nicht an die Verpackungsvorgabe hält ...

Bei vielen Marken benötigen Kinder einen Werkzeugkasten mit Säge, um durch die stabile Plastikverpackung an das Ei zu gelangen. Und zu recyceln ist das Zeug auch kaum, denn die meisten Bezirksverwaltungen verfügen nicht über die notwendigen Anlagen. Da hilft es auch nicht, wenn die Sainsbury-Kette auf ihrer Hartplastikverschalung lügt, sie sei „vollständig recycelbar“, wie es in dem „Osterei-Verpackungsbericht von 2012“ heißt.

Eigentlich müsste der Osterhase es besser wissen, denn er stammt aus Deutschland, dem Land der Recycelweltmeister. Aber vielleicht hat er ja anderes im Sinn. Häsinnen sind bekannt für ihre Doppelträchtigkeit, das heißt, sie können noch während der Schwangerschaft erneut schwanger werden. Deshalb wurden sie zum Fruchtbarkeitssymbol. Dass man Kindern weismacht, die Hasen legen Eier, hat marktwirtschaftliche Gründe. Weil Katholiken zur Fastenzeit keine Eier essen dürfen, hatten sich zu Ostern stets tonnenweise Eier angesammelt, die man den Kleinen als Geschenk andrehen konnte.

Allerdings sind die Zeiten, in denen man Kinder mit ausgeblasenen und bunt angemalten Eiern abspeisen konnte, längst vorbei. Heutzutage müssen es Schokoladeneier sein, je größer, desto besser. Die meisten sind Mogelpackungen. Die gigantischen Eier zu einem gigantischen Preis sind hohl.

Von Fruchtbarkeit will der Bischof von Oxford nichts wissen und von der Verpackung auch nicht. Er hat andere Probleme mit Ostereiern: Keiner will die christlichen Eier, auf denen die Kreuzigungsgeschichte und die Wiederauferstehung dargestellt sind. Der Bischof wittert eine Verschwörung, um „glaubwürdige Produkte mit einer Verbindung zum Christentum“ aus den Geschäften zu verbannen.

Aber welches Kind will schon ein gekreuzigtes Ei? Sein Kollege, der Bischof von Middleton, glaubt jedoch nicht, dass Kinder Angst vor einem Jesus-Ei hätten. „Die großen Supermarktketten marginalisieren das einzige Ei, dass die christliche Gemeinde versorgt“, monierte er. „Von den 80 Millionen Eiern, die dieses Ostern verkauft werden, sind fast alle säkular.“ Ist der Osterhase etwa Atheist? Beim Weihnachtsmann vermuten das die Bischöfe schon länger: Nur eine von 200 Weihnachtskarten, die voriges Jahr verkauft wurden, hatte ein christliches Motiv.

Bei Tesco stapeln sich die weltlichen Schokoladenostereier bereits seit Wochen in den Regalen. Nur in der Filiale am Covent Garden nicht, einem Flaggschiff des zweitgrößten Lebensmittelkonzerns der Welt. Die Filiale wurde vom Gesundheitsamt dichtgemacht, weil sie völlig verdreckt und zum Spielplatz von Mäusen geworden war. Ein peinlich großes Schild im Fenster des geschlossenen Geschäfts weist darauf hin, dass der Laden ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstelle.

Vielleicht ist der Osterhase ja doch nicht blöd, sondern hat seine Eier kindersicher verpackt, damit die Mäuse nicht herankommen. Frohe Ostern!

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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