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Die WahrheitWir warten auf die Geschichte

Kolumne
von Eugen Egner

Bitte warten Sie, die Geschichte fängt gleich an; der Junge mit der Sonnenbrille muss nur schnell noch was erledigen.

B itte warten Sie, die Geschichte fängt gleich an; der Junge mit der Sonnenbrille muss nur schnell noch was erledigen. Dafür werden Sie bestimmt Verständnis haben. Bei dem Jungen ist es immerhin früh am Morgen, und seine Großeltern verstehen keinen Spaß.

Warum aber trägt er eine Sonnenbrille? Es ist doch noch gar nicht richtig hell! Junge, sei nicht albern! Nimm die Sonnenbrille ab! Na also – oha! Schon gut, setz sie wieder auf! Bitte warten Sie noch einen Moment, der Junge muss erst die Sonnenbrille aufsetzen. Ist doch schöner so, finden Sie nicht auch? Wie anmutig er sie zu tragen versteht! So, jetzt kann es weitergehen. Lesen Sie ruhig weiter, er nimmt die Brille nicht noch einmal ab.

Die Geschichte fängt gleich an, gehen Sie nicht weg! Sie möchten doch nicht den Anfang verpassen, oder? Eine Geschichte ohne Anfang macht keinen Spaß, allerdings verstehen die Großeltern des Jungen, wie gesagt, sowieso keinen. Sie sind auch gegen sein Verhältnis mit dem Sportlehrer – nein, nein, keine Angst, das war nur ein Scherz von mir, um die Wartezeit bis zum Beginn der Geschichte zu verkürzen. Ein geschmackloser Scherz, das gebe ich zu. Aber Sie haben doch sicher Humor, stimmt’s? Na bitte! Konnte ich mir nicht anders vorstellen.

So, der Junge ist gleich fertig mit seinen Erledigungen; wenn Sie bitte noch ein bisschen Geduld hätten, das wäre schön. Vielen Dank. Nanu? Ich seh ihn nicht mehr! Der Junge kann doch nicht einfach verschwinden! Sehen Sie ihn noch? Auch nicht? Vielleicht hat er Bakterien, von Bakterien hört man oft in letzter Zeit.

Aber was soll das jetzt? Was macht denn der Oberförster da? Weg! Oberförster weg! Jeden Augenblick kann die Geschichte anfangen! Hat man Worte! Ah, da ist der Junge wieder. Wo er wohl war? Wir werden es nie erfahren … Sehen Sie nur, wie souverän er das erledigt, was er zu erledigen hat! Beeindruckend für sein Alter. Schade, dass seine Großeltern so gar keinen Spaß verstehen. Garantiert ist er in wenigen Augenblicken fertig, dann beginnt endlich die Geschichte. Ehrlich! Liebe Leserinnen und Leser, ich glaube sogar fast, er ist schon … Moment, ich frag mal nach. Hallo, Regie? Hat der Junge alles erledigt? Wie? O nein! Verdammt! Das darf doch nicht wahr sein! Die ordnende Hand des HErrn ganz groß im Bild! Unmöglich! Das nimmt den Menschen doch jede Illusion! Muss denn so was sein? Nur die Ruhe, verehrtes Publikum, unternehmen Sie nichts, der Staat kommt für alles auf. Aha, es ist schon vorbei. Was mag der HErr da geordnet haben? Hat er was an dem Jungen manipuliert? Nachgesehen, ob alle Organe gut erhalten und unverdächtig wirken? Vielleicht war was mit dem Rentenanspruch, oder es musste mal eben der Blutdruck gemessen werden? Manchmal müssen bei Lebewesen auch die Köpfe nachjustiert werden, es ist ja praktisch immer irgendwas, und nichts ist perfekt, am wenigsten Lebewesen.

Jetzt kann es aber wirklich nicht mehr lange dauern. Was hab ich gesagt? Der Junge ist bereits fertig. Endlich fängt die Geschichte an.

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2 Kommentare

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  • SL
    Sam Lowry

    Die GEschichte:

    "Ich öffne die Türe ihres Peugeot. Ich sehe ihre Unsicherheit und bin ebenso unsicher. Wir lächeln...

    Wir schauen uns zum erstenmal in die Augen, und plötzlich geschieht etwas, das wir beide nicht erwartet hätten.

    Wir können uns fühlen, unsere Gedanken lesen, wortlos. Ich sehe ihren Wunsch und sie meinen.

    Hier haben wir die Chance, etwas Einmaliges zu tun:

    Eine Zeit zu erleben frei von allen Zwängen, von allen anderen Menschen, uns etwas vorzustellen für eine begrenzte Zeit: Wahre Liebe.

    Liebe, so wie wir sie aus den Märchen kennen. Zwischen Prinz und Prinzessin, die sich finden und für alle Ewigkeit glücklich sein können in einem Märchenschloss.

     

    Wir ziehen uns gegenseitig langsam aus und streicheln uns dabei. Legen uns auf das Bett und beginnen mehr und mehr, den Kontakt zur Realität verlieren.

    Küssen uns überall, können genau spüren, wann und wo es richtig ist. Saugen uns fest, lassen wieder los, geraten mehr und mehr in Ekstase.

    Die Welt um uns herum verschwimmt immer mehr zu einer Wolke, wir sind eins. Mit meiner Zunge fahre ich über ihren Körper und merke wie sie vibriert, je weiter ich nach unten wandere.

    Dann küssen wir uns wieder und halten uns ganz fest aneinander. Unsere Zungen sind überall... ihre auch bei mir... es ist WAHRE LIEBE zwischen zwei Menschen, die sich sicher sind, dass es nur einmal im Leben geschehen kann, jetzt und hier und für alle Ewigkeit in unserer Erinnerung bleiben wird.

    Es ist, als ob wir unsere Körper nur haben, um unseren Gedanken eine Form zu geben und wir sind eins. Ich lecke ihren Schweiß vom Körper, sie meinen. Wir schmecken unsere Körper überall.

    Irgendwann haben wir einen Orgasmus und halten uns weiter fest, weil wir diesen Traum nicht loslassen wollen.

    Die Zeit steht still.

    Wir bleiben so liegen, vielleicht 1 oder 2 Stunden, sprechen nicht, lauschen nur den Gedanken... streicheln uns ganz zärtlich, sehen nur das Märchen, das für kurze Zeit zu unserer Realität geworden ist... ich bin ihr Traum, sie ist meiner.

     

    Doch irgendwann kehren wir in die Realität zurück, fangen beide an zu weinen. Weil wir wissen, dass es einmalig für uns war. Die Zeit geht nach einem Jahr weiter.

    Wir trennen uns... "

  • EL
    Edgar Loesel

    Ich kann den ganzen Tag warten, wenn es sein muss. Es muss aber nicht sein. Worauf warte ich stattdessen? Genau, auf den vertriebenen Oberförster.