piwik no script img

Die WahrheitPossierliche Vandalen

Zu Besuch in der ersten Marderschule Deutschlands.

Heribert Basskämper führt den Besucher zum weitläufigen Trainingsgelände hinter seinem schmucken Einfamilienhaus. Hier, in der beschaulichen Ruhe der Oberpfalz, fernab vom lärmenden Getriebe der Großstadt, betreibt der untersetzte Gemütsmensch die erste Marderschule Deutschlands. Die 24 Käfige, die seine bissigen Nager beherbergen, stehen in langer Reihe an der Garagenwand. Hinter den extrastarken Maschendrahtgittern blicken die Marder erwartungsvoll zu ihrem zweibeinigen Leittier. Heribert Basskämper hat für jeden seiner Lieblinge ein kleines Leckerli mitgebracht – etwa zehn Zentimeter lange Kabelabschnitte, die er ihnen durch die Gitter zusteckt.

„Das ist das Zündkabel eines Porsche Cayenne – da können meine possierlichen Vandalen nach Herzenslust darauf herumbeißen“, erklärt der Oberpfälzer und betrachtet mit sichtlichem Besitzerstolz, wie seine Schützlinge gierig die Reißzähne in die offenbar sehr schmackhafte Plastikummantelung des Premiumkabels schlagen.

Basskämper hat es durch langes Training geschafft, seine Marder gezielt auf bestimmte Automarken abzurichten. „Es macht ja überhaupt keinen Sinn, die Tiere wahllos in der Großstadt einzusetzen. Dann nagen die glatt einem Opel Corsa den Kühlschlauch durch, und die S-Klasse daneben bleibt unberührt. Eine solche Verschwendung von Animalkapital ist mit mir nicht zu haben.“ Basskämpers Verständnis von Professionalität erlaubt derartige Streuverluste schlichtweg nicht. Er ist mit seiner penibel geschulten Beißerschwadron deutschlandweit der Erste, der gezielt Wagen der Luxusklasse lahmlegen kann – eine tadellos funktionierende Form der nachhaltigen Verkehrsberuhigung.

Wer aber sind die Leute, die einen solchen Premiumservice buchen? Während Basskämper dem Tier im letzten Käfig die Gummimanschette eines Ferrari Testarossa durch die Maschen schiebt, zählt er die unterschiedlichen Kundengruppen auf, die ihn um Hilfe bitten. Da ist etwa die verlassene Ehefrau, die ihrem Exmann eins auswischen will. Da ist der missgünstige Geringverdiener, der seinem Nachbarn nicht den neuen Siebener-BMW gönnt. Oder der kürzlich entlassene Investmentbanker will seinem Chef zum Abschied nochmal richtig den Tag versauen. Der jeweilige Motivationshintergrund interessiert Basskämper nicht die Bohne. Er sieht sich nicht als Robin Hood des ruhenden Verkehrs, sondern als seriösen Dienstleister, der das in jeder Gesellschaft vorhandene Bedürfnis nach Racheakten zur Grundlage seines einträglichen Geschäftsmodells gemacht hat.

Doch wie erreicht Basskämper die beeindruckende Präzision seiner Auftragsbeißer? Er selbst nennt es das „ASB-Prinzip“ – Anfüttern, Sucht-Entwickeln, Beißen. Zunächst müssen die drolligen Nager an die charakteristische Plastik- und Gumminote einer Marke gewöhnt werden. Mit der Zeit entwickeln sich die Tiere zu wahren Conaisseuren: ein Marder, der auf die süßliche Vanillenote des BMW-Kühlschlauchs trainiert ist, wird den eher herben Bitterton eines Bentley-Kühlschlauchs in jedem Fall verschmähen. „Das ist wie bei den Weinkennern. Einer, der auf fruchtbetonte Rheingaurieslinge steht, wird immer versuchen, den zu bekommen. Der gibt sich nicht mit einem knochentrockenen Soave zufrieden.“

Die letzten drei Tage vor dem geplanten Einsatz schließlich gibt es rigorosen Nahrungsentzug, damit die putzigen Schädlinge auch den nötigen Heißhunger entwickeln. „Und dann kann’s losgehen!“ Eine letzte Frage beschäftigt den Besucher noch: Schützen nicht gerade Eigentümer von Luxuskarossen ihren Wagen in Garagen? Heribert Basskämper hat auf diese Frage nur gewartet. „Garagen oder Tiefgaragen stellen für meine kleinen Rabauken kein nennenswertes Hindernis dar. Irgendwann geht jedes Tor mal auf“, schmunzelt er vielsagend und füttert seinen Lieblingsmarder Lennie mit einer Boxster-Bremsmanschette.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!