Die Wahrheit: Druck auf Heulsusen
Eurokrise: Die deutsche Bundesregierung erlässt neue, verschärfte Spardekrete für Europas Sorgenkind Nummer eins: Griechenland.
Jetzt geht’s ans Eingemachte. Nach dem Erfolg der griechischen Fußballnationalmannschaft bei der Europameisterschaft und dem absehbaren Chaos nach den Wahlen in Athen sowie den zu erwartenden Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten am Montag fordert Deutschland von Griechenland noch einmal deutlich stärkere Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung. Oder man könne sich endgültig aus der Eurozone verabschieden. Bei einer am Sonntagmittag eilig einberufenen Pressekonferenz in Berlin forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble weitere drastische Einsparungen, die alle bisherigen Befürchtungen übertreffen.
Kernstück des Plans zur Sanierung des griechischen Pleitestaats ist eine umfassende Namensreform, die einschneidende Kürzungen bei den Familiennamen vorsieht. Danach sollen die extralangen und „völlig unaussprechlichen“ griechischen Namen um „bis zu 50 Prozent“ gekürzt werden. Die sinnlos überdehnten, mit „zu vielen Ypsilons überwürzten Namen“ kosteten viel Redezeit und seien „mitschuldig am Dickicht der Korruption und den zum Teil völlig kafkaesken, labyrinthischen Strukturen“ in Verwaltung und Politik, heißt es. „Nehmen Sie nur den Besuch im Finanzamt“, erklärte Wolfgang Schäuble vor Journalisten in Berlin. „Wenn der Grieche sich noch nach der Amtsstube von Ypsilándis Papalatomosandropodomoussakasarikakys durchfragt, sitzt der Deutsche doch längst im Amtszimmer von Herrn Schmidt und zahlt seine fälligen Steuern.“
Weitere wichtige Änderungen betreffen den Sirtaki. Seinen Namen erhielt der Sirtaki wohl nicht zufällig vom Volkstanz Syrtos (sirtos choros), was der „schleppende Tanz“ bedeutet. Wie eine Studie der OECD erst kürzlich herausfand, wirke sich das ständige Sirtakitanzen „ungünstig auf das allgemeine Arbeitstempo“ aus. Der Tanz, der typischerweise mit zunächst ganz langsamen Schritten beginnt und erst ganz zum Ende in die schnellere Schrittfolge übergeht, habe das Land geprägt, so die Studie. „Da müssen wir umsteuern“, so Bundeskanzlerin Merkel. Der sich dahin schleppende Auftakt (Pa-damm. Pause. Pa-damm. Zigarettenpause. Pa-damm. Mittagspause) wird ersatzlos gestrichen. Die Devise laute: „Rauf aufs Parkett und zacki-zacki“.
Vom Spardiktat betroffen ist auch die griechische Musik. Die „Heulsusenmusik“ zum Beispiel von Vangelis gilt laut Merkel und Schäuble als nicht „reformierbar“ und wird demnächst komplett gestrichen.
Die wohl drastischsten Kürzungen betreffen allerdings die griechische Sprache und ihre Hauptnutzer. Ihnen drohen pauschale Redezeitkürzungen um bis zu 30 Prozent sowie Lautstärkebegrenzungen bei Unterhaltungen auf höchstens 60 Dezibel. „Das Gequassel hält doch keiner aus“, so Schäuble ungehalten. Speziell die griechischen Mobilfunkanbieter müssen sich darauf einstellen, dass Handyflatrates in Griechenland ganz verboten werden sollen.
Angepasst an EU-Normen werden auch griechische Speisen. Das, was der Grieche kochen nennt, ist eigentlich nur das Auf-das-Feuer-Werfen von Fleischstücken, die dann langsam verbrennen, bis sie in einem ungenießbaren Zustand sind. Künftig sollen Gyros oder Bifteki möglichst roh serviert werden. Kürzere Brat- und Garzeiten bedeuteten gewaltige Kosteneinsparungen bei der Energie. „Es kann nicht sein, dass die deutsche Hausfrau sparen muss, während die Griechin die Energie verplempert“, erklärte Merkel dazu.
Radikale Kürzungen drohen auch beim Sport. Demnach soll die griechische Nationalmannschaft künftig „mit nur zehn Spielern“ zu internationalen Turnieren antreten, auch die „Spielzeitverlängerung wird gestrichen“. Schaffen es die Griechen nicht, in 90 Minuten eine Entscheidung herbeizuführen, werden sie vom Platz gestellt.
Die eingeforderten Maßnahmen hätten absolut nichts mit der brisanten Konstellation bei der Euro 2012 zu tun, versicherten Merkel und Schäuble einhellig. Auch wenn es am Sonntagmittag noch nicht eindeutig sei, dass die deutsche Mannschaft im Viertelfinale auf das griechische Team treffe, sei es eben „Schicksal“, erklärte die Bundeskanzlerin, die allerdings zu dem Spiel nach Danzig reisen wolle, um noch auf der Tribüne die anstehenden Maßnahmen gegen die Griechen höchstpersönlich zu überwachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach