piwik no script img

Die WahrheitBacksteinopium

Im Jahr des Drachen: „Ließe sich die Eigenart eines Landes auf eine Formel bringen, man möchte China 'das Land der Mauern' nennen.“

Ließe sich die Eigenart eines Landes auf eine Formel bringen, man möchte China ’das Land der Mauern‘ nennen.“ Das schrieb bereits 1929 der große China-Reisende Richard Katz. Dabei spielte er weniger auf die berühmte große Mauer an, die ja tatsächlich in viele verschiedene Mauern zerfällt. Katz meinte eher die unzähligen Alltagsmauern Chinas. „Unablässig begleiten sie einen, umgeben sie einen, hindern sie einen. Jede Stadt ummauert sich hier mit doppeltem Wall, jede Familie isoliert ihr Haus gegen die Nachbarschaft mit einer übermannshohen Mauer.“

Erst die Revolutionäre von 1949 unternahmen einen Versuch, dieser chinesischen „Mauer-Manie“ (Katz) Einhalt zu gebieten. In den Fünfzigern wurde Pekings Stadtmauer abgerissen, und man errichtete offene Wohnviertel im Stil der klassischen Moderne. Kaum aber hatte Deng Xiaoping China 1978 geöffnet, wurden Mauern wieder hochgezogen – in einem stärkeren Maße als je zuvor.

So ist heutzutage nicht nur praktisch jede Wohnanlage in China von einer Mauer umgeben. Auch Baustellen werden statt durch einen Bauzaun meist mit soliden Backsteinmauern gesichert. Ja selbst ein Stück Brachland auf dem flachen Land, das erst in vielen Jahren entwickelt werden soll, umgibt massives Mauerwerk.

Bild: privat

Christian Y. Schmidt

ist Kolumnist der Wahrheit. Seine Geschichten sind auch als Buch erschienen.

Natürlich ist so etwas ein großer Unsinn. Nicht nur, weil einem die Mauern überall in China sinnlos den Weg versperren, sondern auch wegen des immensen Rohstoffverbrauchs und der mit der Mauersteinproduktion verbundenen Luft- und Bodenverschmutzung. Und selbst wenn die chinesischen Ziegeleien aufgrund fortgeschrittenerer Technologie umweltfreundlicher sind als die der Nachbarstaaten, macht allein die schiere Größe der chinesischen Backsteinproduktion diesen Vorteil wieder kaputt: 73.000 Ziegeleien brennen hier 900 Milliarden Steine jährlich – zu einem nicht unerheblichen Teil für den Mauerbau.

Selbst die Regierung kann gegen den „kindischen Mauer-Aberglauben“ (Katz) der Chinesen nicht viel ausrichten. Da die Ziegeleien sehr viel Ackerland vernichten, erließ sie zwar 1992 ein Gesetz, dass den Verbrauch von Backsteinen begrenzen soll. Trotzdem werden auch heute noch 54 Prozent der Backsteine weltweit in China hergestellt. Dabei beträgt der Anteil der Chinesen an der Weltbevölkerung gerade einmal 19 Prozent.

Dieser Umstand ist nicht anders zu erklären, als dass die Chinesen süchtig nach Backsteinen und Mauern sind. Ja, ich glaube, dass der Backstein in der chinesischen Welt inzwischen die üble Rolle eingenommen hat, die früher einmal das Opium spielte. Würden die Chinesen nämlich nicht einen großen Teil ihrer Ressourcen in Mauerwerk investieren, hätten sie wohl längst die USA wirtschaftlich übertroffen.

Das aber bedeutet: Erst wenn sich China von seiner Mauersucht befreit hat, wird man sehen, wozu es wirklich in der Lage ist. Allerdings: Damit sich diese Einsicht durchsetzt, werden hier wohl erst noch einigen Leuten ein paar Backsteine auf den Kopf fallen müssen. Äh, oder mir.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • B
    Besserwessi

    Besserwessi schreibt nicht “Gähn”,sondern

    "Gähn.Lasst Deniz mal ran.”

    Das ist inhaltlich ein grosser Unterschied, der allerdings nicht f ür jedermann ( ich mag gar nicht erst an die Damenwelt denken ) so leicht zu erfassen ist, denn der Punkt dazwischen wirkt ja nun echt wie eine chinesische Mauer.

     

    CYS kann übrigens mit Kritik ganz gut umgehen und – im Gegensatz zu Ihnen – antwortet er darauf mit Humor und Schlagfertigkeit.

    Wenn Sie seine Beiträge und die Kommentare dazu >regelmässig< lesen würden, dann wären Sie eingeweiht.

     

    Naja, CYS kann also das ein oder andere Mauerblümchen mit einem drögen Artikel über Mauern in China begeistern.

    Oder ist es etwa sein fesches Bild ?

    Ist ja auch mörtelegal, denn die Kommentare hier sind bald unterhaltsamer als der Artikel selbst. Und das ist dann wieder ganz so wie beim guten alten Migrationshintergrund-unser-Deniz.

     

    Respekt Hr. Schmidt, alter Charmeur !

    Anscheinend bisher immer voll gemauert, wie beim Skat!In Wirklichkeit wissen Sie, was Anke-sagt ist

  • A
    anke

    Sehen Sie, Herr Schmidt - da haben Sie den Salat: "Gähn", schreibt Troll Besserwessi. Er hätte auch das Maul geschlossen bzw. die Finger still halten können, wenn er uns nichts weiter zu verkünden hat als seine grüne Langeweile. Er hat es nicht getan. Mauern können offenbar nicht nur die Chinesen. Wenn die auch eine ziemlich lange Tradition darin haben. Kein Wunder: Steine schmeißen, wärend man selber hinter der Mauer hockt, ist auch in Deutschland ein beliebter Freizeitsport. (Fast so beliebt, wie das Fußballgucken. Wobei die Steineschmeißer in den Stadien ja eher ungern gesehen sind heutzutage.) Die Birne brummt jedenfalls und die Beule wächst. Aber vielleicht tue ich Ihnen ja auch Unrecht. Vielleicht haben Sie, vielleicht haben alle taz-Journalisten einen besonders harten Schädel. Dann können sie die Kommentare zu ihren Texten lesen, ohne gleich nach dem Zensor und seiner Netiquette zu rufen. Schade, Herr Schmidt, dass Interna zur Frage des Umgangs mit Leuten wie diesem Besserwessi nur so selten bis zu mir durchsickern. Jedenfalls dann, wenn der Streit noch nicht abschließend entschieden und in eine Erklärung gegossen ist. Wie viel weniger Ressourcen würden gebunden, wie viel weniger schmerzhafte Beulen würde man sich holen in einer Welt, in der weniger gemauert würde...!

  • B
    Besserwessi

    Gähn. Lasst Deniz mal ran.