Die Wahrheit: Nussige Kopfnüsse
Auf einer Tagung der Tier-Gourmets kritisieren die Kenner der gemeinen Nuss die menschlichen Feinschmecker.
![](https://taz.de/picture/130038/14/Eichhoernchen.jpg)
Willbert von Bullschwitz, das rotbraun schimmernde Eichhörnchen mit dem besonders mächtigen Schwanz, hatte seinen Auftritt geschickt inszeniert. Als Letztes kam es durch die große Tür gehüpft und wurde sofort mit Applaus überschüttet, kaum dass es ein paar Haselnüsse voller Appetit wegzuknabbern begann. „Nur Nüsse sind richtig nussig“, sagte Willbert und hatte die Lacher auf seiner Seite.
Die Wintertagung der Tier-Gourmets 2013 im Bonner „Haus der angewandten Gaumenkultur“ war eine jener Veranstaltungen, die in unserer medialen Massenhysterie so fahrlässig unbeachtet bleiben. Dabei war das Thema gerade für Menschen elementar interessant. Und entlarvend für jene Homo sapiensiker, die uns feinschmeckend die hohe Kunst des Genusses erklären wollen.
Passionierte Nuss-Liebhaber waren die Stars des Konvents. Sie wussten aus lebenslangem Erleben, wovon menschliche Gastronomiekritiker seit einigen Jahren immer häufiger faseln. „Nussig, alles schmeckt bei denen immer nussig“, hatte im Eingangsreferat Willberts Onkel Professor Wotan von Bullschwitz berichtet: „Lesen Sie einen beliebigen Restaurantbericht. Ob Wein, ob Salat, ob Bier oder Öle: Alles adeln diese Essenstexter als nussig. Nur wenn etwas irgendwie nussig-nussig-nussig schmeckt, ist es gut.“ Stimmt ja auch, johlte die Abordnung der Feldhamster. „Wir sind die wahren Gourmets.“
Hunderte Fälle hatte man gesammelt. Ein wichtigtuerischer Vorkoster-Bericht nach dem anderen wurde zitiert – von „süßlich-nussig“ über „richtig nussig“ und „nussig-mehlig“ bis zum mäßig differenzierten „irgendwie nussig“. Der Fernsehkoch Johann Lafer preist „nussige Wild-Schnitzel“ an. Das Vegan-Blatt lobpreist „nussig-zimtige Tofu-Knödel auf Sauerrahm-Spiegel“. Man lachte sehr.
Kekse kommen am besten als „nussig-fruchtige Rauten vom Blech“, habe einer gedichtet, rief ein Ahörnchen kichernd. „Und zart-nussig hab ich auch schon gelesen genauso wie nussig-pfeffrig, nussig-brotig und nussig-pfiffig“. In der Genießergazette FAZ waren in diesem Sommer auch schon getrocknete Mehlwürmer nussig, berichtete angeekelt ein Schimpanse. Als das Behörnchen „nussig geröstete Blüten“ aus einem Testbericht zitierte, buhte die Abordnung der Bienen. „Frechheit! Nussiger Nektar ist Frevel. Da sind wir sehr für naturbelassene Kost.“
„Schmeckt den Menschen denn alles nussig, auch Nüsse?“, wollte ein junger Igel spitzfindig wissen. „Wir haben einen Verdacht“, sagte Prof. von Bullschwitz. „Früher schüttete die humanoide Hausfrau auf alles ihr Maggi. Heute ist nussig das moderne Maggi der Gourmets.“ Was dann mit Nuss-Allergikern sei, wollte ein Steinmarder wissen. „Gute Frage“, meinte von Bullschwitz, nur sei die psychogene Wirkung alles Nussigen auf solche Allergiker noch nicht erforscht: „Wer schon auf den angedichteten Verdacht von Nuss allergisch reagiert, dürfte konsequenterweise gar nichts mehr essen und würde verhungern.“
Murmeltier Sven, das extra seinen Winterschlaf unterbrochen hatte, referierte über „fortgeschrittene Nuss-Differenzierungen“: Steirischer Lachs werde in einem Gourmetbericht als „walnussig“ beschrieben. Ein Kaffee präsentiere sich „mit haselnussbraunen Reflexen“. Über einen anderen steht gedichtet: „Der dickflüssig schmelzende Körper verleiht dem Kaffee ein paranussiges Lakritzaroma.“ Dem Texter der Lebensmittel Zeitung schmeckte ein Öl „fein nussig nach Kokos“. In einem Kinderlied sei ein gebratenes Hühnchen „so erdnussig“ geraten, dass man das Fleisch gar nicht mehr schmecke. „Erdnüsse, juchhu“, tirilierten die Meisen, „mit solch erdnussigen Hühnchen könnte man Vegetarier austricksen.“
„Nur kopfnussig fehlt“, grunzte das dickschädelige Hängebauchschwein Dr. Wutzke. Es berichtete vom Versuch mit einem gefundenen Rezept: „4 EL Butter in einem kleinen Topf so lange erhitzen, bis sie nussig duftet“, habe da gestanden. Es habe gewartet und gewartet, nichts passierte. Plötzlich roch es völlig verbrannt. „Von wegen nussig. Den schwarz-braun angekohlten Topf habe ich wegwerfen müssen.“
„Nüsse“, hieß es im Abschluss-Kommuniqué der Tier-Gourmet-Tagung, „sind allein unser natürliches Terrain. Nur eine Nuss schmeckt wahrhaft nussig.“ Als Kampfparole wurde schließlich verabschiedet: „Wider die artifizielle Vernussung des Daseins. Dem anbiedernden Nussterror der Menschen müssen wir die Stirn bieten.“ – „Und den Hintern“, rief eine der Bienen und ließ ihren Stachel aufblitzen. „Sonst gibt’s was auf die Nuss – und zwar ganz genüsslich.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!