VORLAUF: Die Wahrheit über die Länderpunkte
■ Frank Guthkes Kokathriller "Der Schnee der Anden", 19.30 Uhr, ZDF
Ein Kokafeld in Kolumbien. Lederhäutige Bauern zupfen kleine Blätter von dürren Zweigen. Am Feldrand liegt ein Rollkommando auf der Pirsch. Neben dem örtlichen Polizeichef und einigen bewaffneten Polizisten liegt der Kameramann eines amerikanischen TV-Senders auf der Lauer wie ein Kettenhund. Der Polizeichef gibt den Startschuß; die „Campesinos“ werden um ihre Lebensgrundlage gebracht; der Moderator on location ist tief bewegt von dieser „Heimsuchung“, und die Kolumbier haben einen weiteren Länderpunkt in der globalen Spielshow telegener Entblößung.
Zu grell? Keineswegs, meint Frank Guthke, Regisseur des Fernsehfilms Der Schnee der Anden (den das ZDF im Rahmen seiner „Suchtwoche, Schwerpunkt Frauen“ ausstrahlt). Exakt zur Drehzeit spielte sich drei Kilometer weiter genau das ab, was Guthke da für seinen Film inszenierte. Wahrscheinlich viel realistischer, mit Knallerei und Großaufnahmen, denn die Amerikaner haben mehr Geld zur Verfügung, um das Geflimmer zwischen Netzhaut und Mattscheibe authentisch zu (re-)konstruieren.
Mit Gespür für die komplexen Zusammenhänge der Thematik inszenierte Guthke einen ebenso informativen wie spannenden Thriller um die Kokainproduktion in Kolumbien. Um die Leiche ihres Sohnes Martin (Jürgen Vogel) zu identifizieren, wird die Anfangvierzigerin Lore Becker (Constanze Engelbrecht) vom dortigen Konsulat nach Südamerika gebeten.
Das schnulzige Muttermotiv täuscht geschickt darüber hinweg, daß sie eigentlich die Protagonistin jener kreuznaiven Anschauung ist, derzufolge man die Droge in weißem Pulver identifizieren und dementsprechend bekämpfen kann: „Ein paar Bomben auf die Felder, und der Spuk ist vorbei“, meint sie anfangs lapidar.
Bei dem Toten handelt es sich überraschenderweise um einen Fremden mit dem Paß ihres Sohnes. Auf der Suche nach Martin erfährt Lore einiges über die Gewaltmühle der Kokabarone, die wirtschaftliche Abhängigkeit des Landes, lokale Macht- und Abhängigkeitsstrukturen sowie über das zwielichtige Manövrieren amerikanischer „Drogenbeauftragter“. Unter der Vorgabe der „Bekämpfung“ wirtschaftet Mr. „Whitelaw“ (im Stil eines Donald Plesance) nicht etwa nur in die eigene Tasche, er entpuppt sich sogar als Drahtzieher. (Die tatsächliche Verfilzung ist wahrscheinlich derart komplex, daß Watergate dagegen so überschaubar ist wie ein Monopoly- Spiel.)
Um niemandem auf den Schlips zu treten, wird die Koksnase Martin als „drogenabhängiger Europäer“ dargestellt, denn es ist nicht gerade alltäglich, zu behaupten, der (deutsche?) Botschafter sei Laufbursche der amerikanischen Kokamafia.
Trotz seiner vielschichtigen politischen Perspektive läßt Guthke die erzählerische Komponente nicht außer acht. Da gibt es die Romanze mit dem verkrachten Dschungelpiloten, und vor allem der Showdown mit dem Kokabaron Keroac (Gerard Blain!) hat es in sich.
Der Film wurde in Equador (fast) an Originalschauplätzen gedreht und sieht wegen des geschickten Einsatzes filmischer Mittel nach weit mehr aus als nach einer relativen Billigproduktion für 1,6 Millionen D-Mark. Manfred Riepe
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