: Die Wände haben Augen
Mona Hatoums Installation „Lookout“ lässt die Kunsthallen-Kuppel zum Wachturm werden
von Petra Schellen
Es wirkt alles so bequem: Man sitzt im Warmen, hat riesige Projektionen auf den konkaven Wänden vor sich, könnte fast die Füße hochlegen – und doch den gesamten Außenraum wahrnehmen: Wie im Wachturm an der Ex-DDR-Grenze fühlt sich, wer die eigens für die Hamburger Kunsthalle gefertigte Video-Installation der palästinensischen Künstlerin Mona Hatoum betrachtet.
Deren erste große Deutschland-Retrospektive ist dort ab Freitag zu sehen. Lookout heißt das derzeit in der Kunsthallen-Kuppel installierte Werk, das – einem Triptychon gleich – drei Außenansichten ins Innere holt, als schaue man aus dem Fenster. Dabei trennen einen dicke Mauern von Bahnhofsvorplatz, den Gleisen zur Linken und dem Glockengießerwall zur Rechten. Die Perforierung von Mauern ist Thema dieser Arbeit, die umfassende Überwachung der Masse Mensch.
Drei Überwachungskameras hat Ausstellungstechniker Tobias Boner auf dem Kunsthallen-Dach installiert, die live wiedergeben, was außen geschieht. Ergänzt und fast surreal überhöht wird dies durch per Richtmikrofon eingefangene Geräusche: „Wiedergegeben wird nur, was oberhalb des Verkehrslärm-Pegels liegt“, sagt Boner, der tagelang justiert, um eine Mixtur zu erzeugen, die Markantes – Züge, S-Bahnen, schwere LKW – fokussiert. Eine subtile, dem Alltag abgelauschte Komposition ist das Ziel, die nicht nur die Qualen hellhöriger Tiere erahnbar macht, sondern auch die Filterleistung des menschlichen Ohrs.
Was aber – und darauf zielt die gesamte Installation – gewaltig stört: das Wissen um die permanente Überwachung. Ein übrigens besonders in London, dem Lebensmittelpunkt Hatoums, ausgeprägtes Phänomen; sämtliche Kreuzungen sind dort videoüberwacht. Was mit den Daten geschieht, weiß niemand genau. „Im Gebäudeschutz werden die Aufzeichnungen eine Woche lang gespeichert“, sagt Bonert. Die Kunsthallen-Aufnahmen werden nicht gespeichert. Ob es aber nicht irgendwo Archive mit Bändern gibt, auf denen jeder Industrienationen-Bewohner mindestens einmal erscheint? Man möchte keine Verschwörungstheorien spinnen. Und kann nur hoffen, dass zur Analyse solchen Materials letztlich die Kapazitäten fehlen.
26.3.–31.5., Kunsthalle. Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr