Die Wähler der Linkspartei: Mehr als nur eine Protestpartei

Die Linkspartei hat kaum SPD-Stammwähler auf ihre Seite ziehen können: Sie profitiert mehr als vermutet von Wechsel- und Nichtwählern. Im Osten wird sie als Volkspartei gewählt.

Stammwähler der Linken gibt es nur im Osten. Bild: dpa

BERLIN taz Was ist der Unterschied zwischen einem Ortsverein der SPD und einem der Linkspartei? Es gibt keinen. In beiden sitzen frustrierte Sozialdemokraten. Dieser Kalauer fasst zusammen, wie sehr SPD und Linkspartei, allen gegenseitigen Abgrenzungen zum Trotz, verbunden zu sein scheinen. Die Erfolge der Linkspartei gelten als eine direkte Folge der Agenda-Politik. Kein Wunder, dass sich die Linkspartei im Westen aus Ex-Sozialdemokraten rekrutiert. Linkspartei und SPD verhalten sich in diesem Bild wie kommunizierende Röhren. Geht es der Linkspartei gut, leidet die SPD - und umgekehrt.

Dieses Bild ist nicht ganz falsch, bedarf aber einiger Korrekturen. So hat die Linkspartei bei den Wahlen in Bayern CSU und FDP 50.000 Stimmen abgenommen, genauso viel wie der SPD. Ihr Sozialpopulismus stößt auch bei Nichtwählern, Wechselwählern und enttäuschten Anhängern der Union auf Resonanz. Die Linke ist im Westen keineswegs nur ein Spaltprodukt, das unzufriedene SPDler bindet.

Untermauert wird dieser Befund durch eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft DIW, die die langfristigen Parteibindungen untersucht hat. Die Stammwähler der Lafontaine-Partei speisen sich im Westen kaum aus den Reihen von SPD-Stammwählern - dafür weit mehr aus Wählern, die sich zuvor keiner Partei zugehörig fühlten. Das ist, angesichts des Führungspersonals, das von Oskar Lafontaine über Ulrich Maurer bis zu Klaus Ernst aus Ex-SPDlern besteht, durchaus überraschend.

Die Studie fußt auf Befragungen von 24.000 Bürgern und Daten des sozio-ökonomischen Panels (SOEP), einer Umfrage, die seit 1984 bei denselben Personen erstellt wird. Bestätigt wird zunächst manches Bekannte. Die Linkspartei ist im Osten eine Volkspartei, die recht gleichmäßig von Gering- (rund 24 Prozent) wie Gutverdienenden (rund 30 Prozent) gewählt wird.

Am meisten Zuspruch bekommt sie bei gesellschaftlich Aktiven, bei Gewerkschaftern oder ehrenamtlich Tätigen und bei der oberen Mittelschicht. Eine Partei der Besserverdienden, so wie FDP und Grüne, ist die Linkspartei deshalb nicht. Denn am stärksten ist sie, in Ost und West, bei Arbeitern und Arbeitslosen verwurzelt, am schwächsten bei Beamten und Selbstständigen.

Bislang wurde kaum bemerkt, dass die Linkspartei, wie die Studie zeigt, im Osten in den letzten Jahren zu einer Arbeiterpartei geworden ist. 2003 waren nur 15 Prozent der PDS-Stammwähler Arbeiter, heute sind es mehr als 30 Prozent. Im Westen ist die Tendenz ähnlich.

Insgesamt aber korrigiert die Studie das plane Bild, das die Gysi-Partei vor allem ein Auffangbecken für Verlierer ist und nur gedeiht, wenn sozialer Abstieg zum Massenphänomen wird. Zumindest für die Stammklientel der Linkspartei scheint sogar das Gegenteil zu gelten. Der Mehrheit geht es, verglichen mit 2002, wirtschaftlich besser.

Für die Linkspartei enthält die DIW-Studie auch ein paar ernüchternde Zahlen. In den Umfragen liegt die Partei konstant zwischen 10 und 14 Prozent. Doch in Westdeutschland sind nur drei Prozent langfristige Anhänger der Linkspartei. Diese Stammklientel ist zwar seit 2003 (ein Prozent) stetig gewachsen. Aber gleichwohl ist die linke Klientel viel kleiner als die der Grünen oder der FDP. Die beeindruckenden Umfrageergebnisse von Lafontaine & Co verdanken sich vor allem einer Stimmung, die bekanntlich schwankt.

Für die SPD-Parteizentrale enthält die Studie vermischte Nachrichten. Für die stille Hoffnung, dass die Linkspartei im Westen wie ein Spuk wieder verschwinden wird, liefert sie keinerlei Anzeichen. Sie zeigt, dass vor allem jene Arbeiter und Arbeitslosen, die die SPD schon lange nicht mehr erreicht, im Begriff sind, bei der Linkspartei heimisch zu werden. Beruhigend müsste für die SPD allerdings sein, dass die Gefahr, eigene Stammwähler an Lafontaine & Co zu verlieren, viel geringer als befürchtet ist. Das könnte eigentlich ein Grund sein, auf die aus Panik geborenen Abgrenzungsrituale gegenüber der Linkspartei zu verzichten.

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