: Die WM dient als Vorwand
betr.: „Kein Polizeistaat“ (Bei der Fußball-WM sollen Stadien und Innenstadtbereich mit Videokameras überwacht werden), taz vom 26. 5. 05
„Wir wollen uns nicht als Polizeistaat präsentieren!“ Nicht präsentieren, aber so handeln. Denn was anderes als die Merkmale eines Polizeistaates treten hervor, wenn willkürliche biometrische Kontrollen durchgeführt werden und die Videoüberwachung in den Austragungsorten, nicht nur in den und um die Stadien herum, sondern auch in den Innenstädten massiv ausgeweitet werden. Dies sehe ich als Feldtest für die dauerhafte Anwendung dieser Maßnahmen.
Denn eines ist doch sehr deutlich: Die Kameras und die mobilen Fingerabdruckscanner werden ganz sicher nicht nach der WM eingemottet werden. Dass dies ausgerechnet von Rot-Grün initiiert wird, ist nur dann verwunderlich, wenn jemand noch daran glaubt, dass Rot-Grün für BürgerInnen-Rechte eintritt. Die sogenannten „Anti-Terror-Gesetze“ in Folge des 11. 9. 01 haben doch deutlich bewiesen, dass sie nichts bringen, jedoch den Grundrechten einen weiteren Stoß in den Rücken versetzen.
So ist es auch hier. Die WM dient als Vorwand, um den Überwachungs- und Unterdrückungsmoloch größer und stärker werden zu lassen.
Ein weiterer Punkt, der mir großes Unbehagen bereitet, sind die Kosten dieser Maßnahmen: Die Fifa ist fein raus und wälzt die Kosten auf die SteuerzahlerInnen ab. Die Fifa genießt Steuerfreiheit und füllt sich und ihren korrupten Funktionären die Taschen, während wir, die „normalen“ BerlinerInnen, von Videokameras und biometrischen Scannern verfolgt, ohne Karten und mit einem riesigen Loch im ohnehin leeren Geldbeutel zurückbleiben. Da vergeht mir die Lust gehörig. Ich bekenne: Ich habe den Fußball mal gemocht.
SASCHA KLEIN, Berlin
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