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Die Tochter eines Alkoholikers erzählt"Er wird ersaufen – ich schaue zu"

Abends ein Bier - normal. Aber was, wenn der Vater Schnaps frühstückt? Für unsere Autorin ist auch das normal geworden. Der Held ihrer Kindheit ertrinkt im Alkohol.

"Er wird an seinem Laster zugrunde gehen", schreibt die Tochter über ihren Vater. Bild: dapd

Mein Vater ist vor Kurzem in ein anderes Land gezogen, wo die Sonne fast immer scheint, das Meer im Hafen vor sich hin gurgelt und der Winter nicht existiert. Wegen der Gesundheit, sagt er. Das Winterwetter zu Hause schlage ihm seit jeher auf das Gemüt, da habe er jetzt mit Anfang sechzig keine Lust mehr drauf.

Er wohnt in einer Siedlung, in einem Haus mit Pool, in seinem Garten blühen Olivenbäume. Die Häuser seiner Nachbarn sehen genauso aus. Viele sind aus ähnlichen Gründen hier: Arthritis, Asthma, Depressionen. Er hat mich eingeladen, um mir sein neues Zuhause zu zeigen, also fuhr ich hin.

Am Flughafen empfing mich ein alter Mann. Sein Körper war aufgedunsen, sein Gesicht durchzog ein Netz feiner roter Äderchen, seine Augen hatten rote Ränder. Auf dem Weg fluchte er über die anderen, die immer alles falsch machen. Über seinen Handwerker, der so viel trinkt. Und den Rest der ganzen bescheuerten Welt. Dann hielten wir am Supermarkt: Bier kaufen. Eine Dose trank er an der Kasse.

Mein Vater ist ein Trinker. Er ernährt sich von Flüssigkeit. Kaffee mit Schuss zum Frühstück, Bier zum Mittagessen, Rotwein am Abend. Dazu Vitaminpräparate, Pillen gegen den hohen Blutdruck und etwas gegen die Magenbeschwerden. Manchmal muss er auch nachts raus. Als ich in seinem Haus zu Besuch bin, höre ich ihn: Das Klicken der Tür, das Patschpatsch der nackten Füße auf den Fliesen. Ich höre, wie die Flaschen in der Kühlschranktür aneinanderschlagen, dann das Klack-Zisch vom Öffnen einer Dose. Am Morgen liegt eine weitere Bierdose im Mülleimer, neben all den anderen.

Früher war mein Vater ein ganzer Mann. Ich liebte ihn. Er konnte mir bei den Schulaufgaben helfen. Er machte Witze, die wir Mutter nicht erzählen durften. Mein Vater tat, was er wollte - ganz gleich, was andere davon hielten. Er lief herum in Pullis, die ihm zu klein waren, und Hosen voller Flecken. Es war ihm egal - Hauptsache bequem. Meine Mutter sagte oft: „So kannst du doch nicht los! Zieh dir was anderes an!“ Sie bestand darauf, dass er vor dem Schlafengehen mit uns betete. Aber er dachte sich immer nur neue Reime aus und beendete sie mit „Amen“.

Bild: taz

Den vollständigen Text und viele andere spannende Geschichten lesen Sie in der sonntaz vom 28. und 29. Mai 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Heute ist mein Vater ein Haufen Elend. Er wird an seinem Laster zugrunde gehen, wird sein Auto gegen den Baum setzen oder besoffen im Pool ersaufen - und ich schaue zu.

Als ich ihn in seinem Exil besuche, muss er sich etwas ausdenken. Ich weiß nicht, wie viele Dosen er jeden Tag trinkt. Mein Vater bringt täglich den Müll weg, raus zu der großen Tonne, wo die ganze Siedlung ihren Abfall entsorgt. Er kauft immer einen Pack normales Bier und einen Pack alkoholfreies Bier. Er sagt, dass alkoholfreie sei für ihn und das normale für den Handwerker, der ihm beim Renovieren des Hauses hilft.

Der Handwerker leert ein Bier in der Mittagspause und eines nach Feierabend. "Ist nicht gut, wenn man schon während der Arbeit so viel trinkt", sagt er. Am Abend ist der Sechserpack leer. "Schau mal, der Handwerker säuft aber auch", sagt mein Vater. "Aber du hast ihm auch gut geholfen", sage ich. Nein, nein, er habe doch sein alkoholfreies Bier, sagt er.

Wie die Autorin versucht, mit ihrem Vater über seine Sucht zu reden, wie Sie selbst mit dem Alkohol umgeht und was das alles mit ihrem Sohn, mit Janosch und mit der deutschen Saufkultur zu tun hat, lesen Sie in der aktuellen sonntaz.

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9 Kommentare

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  • G
    gal

    "Früher war mein Vater ein ganzer Mann."

     

    vllt hatte er da gar keine lust zu und entsprach bloß einem ihm aufgezwungenen bild?

     

    mir fehlt im text die tiefenschärfe. als tochter würde mich das warum interessiern. hilft damit umzugehen, der eigenen hilflosigkeit etwas entgegenzusetzen und ihn nicht nur als abhängigen alki, sondern auch als bedürftigen menschen zu sehen.

  • RB
    Rainer Baumann

    Das klingt mir aber ganz und gar nicht nach einem Alkoholiker.

  • US
    @Upton Sinclair

    Wow.

    Wissen Sie was, es ist scheißegal, ob es sich um einen "reichen Spießer" handelt oder um einen armen Schlucker (npi) - es ist IMMER verdammt traurig, wenn sich ein Mensch seine Seele wegsäuft. Und Sie sagen praktisch "Ey was soll's, wenn dein Vater den Bach runter geht, sei zufrieden, du hast doch genug Kohle".

    Ich wette, die Frau würde jeglichen "Beamtenspeck" freudig verschenken, wenn sie damit ihren Vater heilen könnte.

    Und die Tatsache, daß der Mann Alkoholiker ist, zeigt ja nun wohl deutlich, daß im "Rotweingürtel" eben NICHT alles "heile Welt" ist. Vielleicht ist es ne Überraschung für Sie, aber Besitztum verhindert kein Leiden (es sei denn, man glaubt dem Kapitalismus, nach dem Motto Geld macht automatisch glücklich - und wer reich ist und trotzdem depressiv ist, muß sich also von oben herab behandeln lassen? Steigen Sie doch mal von Ihrem hohen Ross!) und wenn ein geliebter Mensch vor die Hunde geht, dann leiden alle, egal ob reich, arm oder sonstwas. Menschen sind wir nämlich alle.

    Ich hoffe für Sie, daß Sie nie in eine so scheußliche Situation wie die Autorin kommen. Das wünsch ich niemandem.

  • P
    Paul

    Hallo Janina,

     

    können Sie das "Laster" Ihres Vaters als Erkrankung akzeptieren?

     

    Alkoholismus ist fast immer ein entgleister Selbstheilungsversuch für Depressionen und andere psychische Erkrankungen. Der Betroffene therapiert sich mit dem Medikament Alkohol. Die Abhängigkeit ist eine Nebenwirkung der Langzeiteinnahme.

     

    Ob Vater wirklich abhängig ist, kann er selbst herausfinden:

    https://sobriety24.wordpress.com/2011/01/25/weniger-trinken-onlinekurs/

     

    Ich bin selbst Betroffener, seit einigen Jahren trocken und zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich richtig gut.

     

    Ein Tipp für Sie: Grenzen Sie sich ab - nicht von ihm, aber von seiner Krankheit. Sie können ihn nicht heilen, dass ist Sache von Fachpersonal.

     

    Gehen Sie zur Suchtberatung und zu einer Selbsthilfegruppe für Angehörige.

     

    Grüße

    Paul

  • A
    AuchIchMöchteMeinenNamenNichtSagen

    Ich fühle mir ihr. Ich hab auch Jahre gebraucht um relativ distanziert darüber reden zu können. Leider stimmt es: Solange die Person ihr eigenes Schicksal nicht erkennt, wird sie ersaufen.

  • R
    rolf

    Dümmlich und durchschaubar, wer nicht vernünftig betet wird Alkoholiker? Quo vadis taz? Ultrakonservative Pseudo-Scheinberichte. Die Beschreibungen klingen völlig unglaubwürdig. Vorsicht mit Kirchenleuten!

  • US
    Upton Sinclair

    Ich habe den Artikel in der Sonntaz gelesen. Dachte zuerst es sei eine Satire, ist es aber scheinbar nicht. Unglaublich. Als ob es nichts schlimmeres in der schönen heilen Welt im Rotwein-Gürtel gibt, wenn der Vater in der Zweit-Villa auf Mallorca ein Bier zu viel trinkt. Nach Jahrzehnten des Abkassieren als Nutznießer im Beamtenspeck. Was für ein Klischee. Und die Tochter erfüllt jedes Stereotyp dieses Neu-Bürgertums noch dazu. Eigene Kinder, studiert, reiche Eltern und dann das gnädige Mitleid und der anfängliche Hass auf die Umstände, etc. Meine Güte. Das hätte selbst Henryk M. Broder nicht besser karikieren können. as für eine Real-Satire. Ich finde das aber irgendwie nur widerlich und extrem spießig. Bin raus.

  • T
    Thomas

    Das kenne ich nur zu gut. Mein Bruder war auch - unter anderem - Alkoholiker. Ich konnte ihn leider stets nur scheinbar erreichen. Zwar war er "geständig", wobei ich ihn auch nie unter Druck gesetzt habe; aber gerade das hat ihn immunisiert gegen die Notwendigkeit etwas zu ändern. Er wusste ja um sein Problem. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit ist nicht schön. Zudem den körperlichen und geistigen Verfall mit anzusehen, tut weh. - Ich hoffe, dass der Autorin ein tragische Ende ihres Vaters erspart bleibt.

  • D
    Doro

    Hallo,

    Schreibt doch bitte irgendwo zu Anfang des Onlineartikels, dass es nicht der komplette Artikel ist. Zuerst diesen zu lesen, und dann die Einzelteile im Originalartikel wiederzufinden ist ziemlich nervig, da man so viel doppelt liest.

    Ansonsten sehr schöner Artikel, Danke!