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Archiv-Artikel

Die Sicht der Anderen (2): Aiman A. Mazyek, Zentralrat der Muslime in Deutschland Houston, wir haben ein Problem!

„Der Dialog muss dahin führen, in guter Nachbarschaft zusammen zu leben und den gesellschaftlichen Herausforderungen gemeinsam zu begegnen. Eine Schärfung des protestantischen Profils durch Abgrenzung gegenüber einer anderen Religion und durch Überlegenheitsansprüche dient nicht dem Dialog mit dem Islam, sondern gefährdet das Vertrauen, das an vielen Orten gewachsen ist.“

Dieser Satz kommt nicht etwa aus dem Munde eines muslimischen Sprechers des Koordinationsrat der Muslime (KRM) vergangene Woche beim Spitzengespräch mit der EKD in Mannheim, wo die umstrittene protestantischen Dialog-Handreichung kritisiert worden ist. Es ist vielmehr der einleitende Satz einer Resolution zur Unterstützung des christlich-islamischen Dialoges, verfasst vom evangelischen Leiter der Beratungsstelle für christlich-islamische Begegnung Bernd Neuser. Diese soll beim Kirchentag von vielen namhaften Christinnen und Musliminnen unterschrieben werden.

Doch gemäßigte und moderate Kräfte auf beiden Seiten haben wohl derzeit das Nachsehen. Man wird das Gefühl nicht los, dass es einigen Kirchenvertretern manchmal mehr um öffentliche Inszenierung als um das Gespräch mit den Muslimen geht. Das schafft kein gegenseitiges Vertrauen, jenen Kitt, der so nötig ist, um die wirklich wichtigen Herausforderungen wie Globalisierung, Zukunftsangst, Arbeitslosigkeit und Werteverlust gemeinsam zu diskutieren.

Dazu kommt, dass Muslime oft nur die „Schokoladenseite“ ihrer Kultur präsentieren und damit nicht selten unglaubwürdig daher kommen, angesichts der vielen zum Teil katastrophalen Aktionen, die vermeintlich im Namen des Islam in der Welt geschehen; mit denen sich ein Muslim eben aber auch selbstkritisch auseinandersetzen muss.

Um den interreligiösen Dialog aus der Sackgasse zu führen müssen Christen und Muslime wieder aktiv miteinander sprechen. Der Kirchentag bietet eine gute Gelegenheit. Die EKD-Handreichung aber eben wiederum nicht. Die Muslime und viele Christen empfanden sie als Förderung von Klischees und Vorurteilen gegenüber Muslimen und waren angesichts des Jahrzehnte langen, konstruktiv-kritischen Dialogs brüskiert.

Dennoch, zum Dialog gibt es keine Alternative. In welcher Richtung aber sollten künftig die Bemühungen gehen? Möglicherweise könnte sie durch einen mehr praktischen als akademischen Dialog wieder an Fahrt gewinnen. Wichtiger ist weniger das ausschließliche Gespräch unter Theologen als ein Forum von Menschen, die bereit sind, in der Gesellschaft gemeinsam Verantwortung zu tragen.

Der Dialog sollte auch vorsichtig eine Hermeneutik beschreiben, die so formuliert werden kann: „Lasst uns zusammenkommen mit dem Wissen, den anderen niemals genauso verstehen zu können und zu müssen, wie er sich selber versteht und wahrnimmt!“ Dadurch entsteht mehr Gelassenheit und Vertrauen. Eigenschaften, die in der Hitze des Gefechtes etwas verloren gegangen zu sein scheinen.

Zudem können Muslime von kirchengeschichtlichen Prozessen viel lernen. Zum Beispiel ist es bedeutsam, wie der deutsche Protestantismus demokratischen Grundrechte, Menschenrechte und weltanschauliche Neutralität des Staates im letzten Jahrhundert anerkannte. Diese Kenntnis könnte Muslime dazu ermuntern, eigene ungeklärte Fragen besser zu begreifen und sich für ihre eigenen Entwicklungsprozesse mehr Zeit zu lassen.

Wenn über diese – sicherlich nicht erschöpfenden – Punkte künftig in Kirchen, in Moscheen, auf den Straßen des Kirchentages und auf dem Campus lebhaft „gestritten“ wird, braucht man sich keinen Sorgen um den interreligiösen Dialog zu machen. Denn dann wird deutlich: Dialog bedeutet nichts anders als „nackte Friedensarbeit“ und die ist eben keine Veranstaltung „selbstverliebter naiver Gutmenschen“. Aiman A. Mazyek

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