: „Die Sanierung dauert mindestens zehn Jahre“
■ Klaus Nicklitz ist Chef der Wohnungsbaugesellschaften „WIR“ (West-Berlin) und „Prenzlauer Berg“ (Ost-Berlin) INTERVIEW
„WIR“, früher Neue Heimat Berlin, hat die Nachfolgerin der alten Kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) übernommen)
taz: Herr Nicklitz, wie sieht es am Prenzlauer Berg aus?
Nicklitz: Hier ist eines der größten Sanierungsgebiete Europas, mit circa 85.000 Wohnungen, fast alles unsanierte Altbauten. Wir haben jetzt festgestellt, daß hier 8.000 Wohnungen leer sind. Es gibt Häuser, die seit fünf bis sieben Jahren zum Abriß vorgesehen sind, wo Gefahr besteht, wenn Sie sich denen nur nähern.
Wie wollen Sie dies alles sanieren?
Sie dürfen nicht den Westberliner Standard zum Maßstab machen, das ist nicht finanzierbar. Die Bewohner warten seit vielen Jahren darauf, daß die Fenster schließen und die Wohnung beheizbar ist. Wir haben als erstes eine Kommission eingesetzt, die Gefahrenpunkte sucht, und bemühen uns, die zu beseitigen; zum Beispiel müssen wir mehrere hundert Balkone abreißen. Jeder Neuaufbau würde nämlich 12.000 bis 15.000 Mark kosten.
Was hatte die KWV früher denn gegen diese Schäden getan?
Wir haben in deren Büro eine Fülle von Auflagen der Bauaufsicht vorgefunden, die wurden einfach nur abgeheftet.
Aber die KWV hat doch viele Mitarbeiter?
In Prenzlauer Berg arbeiten fast 1.500 Menschen dort. Aber deren Ausbildung war schlecht und der Ruf der KWV auch. Zum Beispiel hatte die Abteilung Baufinanzierung keinen Mitarbeiter aus der Branche, aber ein paar Friseusen.
Die KWV konnte nicht mal Leute entlassen, die gar nicht gearbeitet haben, weil sie einen „erzieherischen Auftrag“ hatte, wie mir gesagt wurde.
Wie viele Mitarbeiter hätte denn eine vergleichbare westliche Gesellschaft?
Nach den Maßstäben unserer WIR dürften es nur 600 sein. Die WIR hat aber eine planende und bauüberwachende Abteilung, die die KWV nicht hatte. Und die KWV hatte die Wohnungszuweisung nicht selbst organisiert, sondern das tat der Rat des Bezirkes.
Wie kommen Sie mit Ihren Mietern klar?
Mit den Mietern haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir haben viele eigenständige, basisdemokratische Mieterinitiativen und zwar seit Jahren, die sich tatkräftig um ihre Häuser bemühen.
Deshalb hoffen wir, daß es jetzt vorwärts geht. Wir haben schon 450 Ausbauverträge mit Mietern. Sie bestellen die Handwerker, und die KWV bezahlt. Und viele Mieter stellen Anträge nach dem Mietermodernisierungsprogramm des Magistrats.
Reicht das denn aus, um den Prenzlauer Berg zu sanieren?
Wir können nicht in zwei Jahren 40 Jahre DDR- Wohnungswirtschaft geradebügeln. Außerdem haben wir für das zweite Halbjahr 1990 ja einen Haushalt von 87 Millionen Mark für die Bewirtschaftung und Modernisierung.
Und nächstes Jahr?
Das weiß noch niemand. Wir versuchen jetzt, von dem Geld, das wir haben, soviel wie möglich zu investieren.
Reichen denn die Baukapazitäten aus?
Aber ja. Es gibt viele Firmen, die für uns gearbeitet haben. Die wollen alle noch mehr Aufträge annehmen, und das sogar zu den alten Preisen.
Ihre Konzepte laufen offenbar darauf hinaus, daß erst einmal alles aus öffentlichen Geldern finanziert wird?
Wie sonst, bei Mieten von 98 Pfennig pro Quadratmetern? Ein weiteres Problem ist, daß bei den zentralbeheizten Wohnungen die Heizkosten, die die KWV trägt, höher sind als die Miete. Und da es hier völlig veraltete, umweltverpestende Kraftwerke gibt, aber keine Thermostate, so daß die Temperatur per Fensteröffnen reguliert wird, muß sich etwas ändern.
Daß die Mieten steigen, ist wohl unstrittig?
Ja, sicher. Und man wird in der Wohnungswirtschaft der DDR künftig sehr viel privates Kapital brauchen, das ist mit öffentlichen Geldern gar nicht zu machen. Und privates Kapital kommt nicht ohne Aussicht auf Rendite.
Wann, glauben Sie, ist der Prenzlauer Berg so saniert wie Kreuzberg?
Unterstellt, man hätte eine Erdölquelle, die Bewohner würden mitmachen und die Bürokatie, dann dauert es mindestens noch zehn Jahre.
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