Die SPD ist gescheitert, weil sie nicht über Werte debattiert : Hinter dem Horizont ist – nichts
Es ist sehr in Mode, Rot-Grün für gescheitert zu erklären. Aber diese Einschätzung ist unvollständig. Die rot-grüne Bundesregierung ist gescheitert, obwohl zwei Drittel ihrer Politik richtig waren. Wie es dazu kam, lässt sich vermutlich beim SPD-Kongress „Soziale Marktwirtschaft“ am kommenden Montag aufs Neue studieren. Die 68er und ihre Epigonen haben Schwierigkeiten mit der Sinnfrage, mit der Metaphysik ihrer Politik.
Gewiss ist es ein herausragendes Thema, Kapitalinvestoren gesetzlich so einzuhegen, dass sie nicht allzu viel Unfug treiben können. Und doch bleibt ein solcher Versuch technokratisch. Wer den Bundeskanzler beim Reden im Bundestag erlebte, weiß, wie es in sieben rot-grünen Jahren zuging. Nach einer Stunde Zuhören war man vor lauter Details und Prozentsätzen ganz meschugge. Und die Begriffe – „Fördern und Fordern“ etwa. Empathieloses Gerede der Sozialingenieure von der Pädagogischen Hochschule Wuppertal-Oberbarmen. Alles ist machbar, man muss nur an der richtigen Schraube drehen. Die Linken können kein Feuer entfachen, für einen gemeinsamen Aufbruch sind sie zu elaboriert. Wenn man den Leuten Hartz IV zumutet, müsste man hinzufügen, wofür sie sparen sollen – für das Vaterland, die Freiheit, das Glück ihrer Kinder? Die Wertedebatte ist leider ausgefallen. Stattdessen gab es Feinstaub im Koalitionsausschuss, bevor der Kanzler mit Dieselruß in Richtung Dosenpfand brauste.
SPD und und Grüne haben beim Regieren offenbar immer mehr vergessen, was sie einmal wussten. So öffneten sich Einflüsterern Tür und Tor – vor allem solchen, die meinten, dass es immer noch ein wenig brutaler zugehen dürfe. Damit kommen wir zu dem einen Drittel rot-grüner Politik, das wirklich falsch war. Man sollte nicht 85 teure Reformen gleichzeitig anschieben, wenn man kein Geld hat. Man sollte nicht eine Million Menschen mit Hartz IV ihrer Ansprüche enteignen und gleichzeitig den Unternehmen die Steuern senken. Ohne eine soziale Balance, oder wenigstens die Hoffnung auf künftige Gerechtigkeit, beraubt sich die Politik nicht nur ihrer Legitimation, sondern auch eines Begründungszusammenhangs, der über den Tag hinaus trägt. HANNES KOCH