■ Die SPD-Länder haben die Diätenregelung gekippt: Scharping in die Schranken verwiesen
Die vom Bundestag beschlossene Diätenerhöhung ist vom Tisch. Eine verdiente Niederlage für die Große Koalition in Bonn schon beim ersten Versuch, in eigener Sache tätig zu werden. Abgeschmiert sind beide Fraktionen, doch angerechnet wird das Scheitern vor allem einem – Rudolf Scharping. Über zwei Wochen wurde er von den Ministerpräsidenten seiner Partei mit bedenkenvollen Stellungnahmen zermürbt. Stand am Anfang noch der Vorwurf der mangelhaften Koordination im Vorfeld der Bundestagsentscheidung, dominierte zuletzt der Eindruck, der Vorsitzende hat das Heft des Handelns nicht mehr in der Hand. Was gestern verkündet wurde, ist denn auch noch nicht einmal eine Flucht nach vorn, denn die künftige Richtung war nicht erkennbar. Man müsse „einen anderen, transparenteren, für die Öffentlichkeit durchschaubaren Weg“ suchen. Böse Zungen könnten behaupten, das sei das unfreiwillige Eingeständnis Scharpings, daß die gekippte Diätenregelung nicht durchschaubar war. Gute Zungen würden jedoch darauf verweisen, daß er damit lediglich den Spruch des Bundesverfassungsgerichts von 1975 bekräftigte, daß die Diäten „im Plenum zu diskutieren und vor den Augen der Öffentlichkeit ... zu entscheiden“ seien. Der Eindruck, daß diese Vorgabe sakrosankt sei und deshalb die Länder einer Grundgesetzänderung nicht zustimmen könnten, dieser Eindruck, den SPD-Landespolitiker erweckten, ist falsch. Richtig ist vielmehr, daß sie einer Grundgesetzänderung nicht zustimmen wollten, und das aus guten Gründen in der Sache und womöglich taktischen Motiven in der parteiinternen Auseinandersetzung.
Die Bundestagsabgeordneten wollten sich durch die Grundgesetzänderung einer lästigen Debatte entledigen. Das bleibt ihnen nun auch künftig nicht erspart, auch wenn sich in den Diskussionsbeiträgen zur Diätenerhöhung eine gehörige Portion Sozialneid widerspiegelt. Dies sollte jedoch eine Sozialdemokratie, die darauf angelegt ist, Differenzen gegenüber konservativen Positionen zu markieren, nicht unisono mit der CDU geißeln. Vielmehr böte sich hier die Gelegenheit, diesen Unmut in einer gleichermaßen sozialpolitisch sinnvollen wie öffentlichkeitswirksamen Weise aufzunehmen – indem die Erhöhung der Diäten statt an die Richtergehälter an den Regelsatz der Sozialhilfe gekoppelt wird. Natürlich mit dem gebotenen Abstand. Der Bundestag könnte sich bei den jährlich stattfindenden Debatten um die Erhöhung der wohlwollenden Anteilnahme breiter Kreise der Bevölkerung gewiß sein. Dieter Rulff
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