■ Die Rechnung ohne die Rentner gemacht : Die Generation Ego
betr.: „Die Generation Teneriffa“, taz vom 21. 6. 03
Eine Ex-Post-Be- und -Verurteilung des Handelns von Menschen in früherer Zeit ohne Würdigung der damaligen Rahmenbedingungen und Probleme ist nicht nur ahistorisch, sondern intellektuell unredlich, wenn nicht infam, wie hier.
Wer in den 1970ern politisch das Sagen hatte, kann sehr wohl um 1950 Trümmerfrau oder -mann oder – Jugend gewesen sein.
Die aktuelle Rentnergeneration ist nicht pauschal reich, wie der dumme Teneriffa-Vorspann suggeriert. Noch nie etwas von Altersarmut gehört? […] Unsinn die Behauptung, Bildung sei in den 60er-, 70-er-Jahren kein Thema gewesen: 1964 hat Georg Picht die Lage des deutschen Bildungswesens – auch im internationalen Vergleich – in düsteren Farben gemalt und vor einer „Bildungskatastrophe“ gewarnt. Ähnlich Ralf Dahrendorf. Es folgten Bildungsreformen und ein massiver Ausbau der Hochschulen in den 70er-Jahren. Abstruser Nonsens die These, Unternehmen hätten in den 70ern den globalen Wettbewerb verschlafen: Sie haben massiv und strategisch die Profitrate erhöht durch globale Verteilung ihrer Produktionsstandorte, bestens belegt für die Textilindustrie bei Fröbel, Heinrichs, Kreye: „Die neue internationale Arbeitsteilung“ rororo aktuell, Reinbek 1977.
Unsinn Schuberts Behauptungen, die Macher der Gesellschaft in Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften etc. der 70er-Jahre hätten sich einen Dreck um ökologische Folgen ihrer zerstörerischen Investitionsorgien in Stadt und Land(schaft) gekümmert: 1972 fand der internationale Kongress der IG Metall zu „Aufgabe Zukunft – Qualität des Lebens“ in Oberhausen statt; Bildung, Verkehr, Gesundheit, Qualitatives Wachstum, Demokratisierung u. a. sind Titel der zehnbändigen Dokumentation dazu. In den 70er-Jahren legte die Regierung Brandt/Scheel sämtliche Grundlagen der Umweltpolitik im Bereich Luft, Lärm, Abfall usw. – übrigens wieder auf der Basis einer Strukturanalyse von Georg Picht!
In den 70er-Jahren fanden massive gesellschaftliche Konflikte um die AKW-Standorte statt mit Gewalt und Gegengewalt. Dass der Staat, damals bei AKWs wie heute bei der Rentenformel, dem Kapital zu Diensten war und ist, weiß mensch, das sollte einen politischen Journalisten vom Kaliber Schubert doch vor gespielter Naivität zwecks Verurteilung der Vergangenheit und der Älteren bewahren. PAUL FLEDERMAUS, Würzburg
Seit meinem 14. Geburtstag versorgte ich einen Rentner, und zwar meine Mutter Anna. Rente am Ende ihres Lebens: 55 DM. Heute unterstütze ich meine Enkelin. Sie kann so ohne Bafög studieren.
Sicherlich wissen Sie aus alten Geschichten, dass meine Generation mit kargem Lohn und 48-Stunden-Woche das Fundament dieses Landes erarbeitet hat. Darauf sind wir zu Recht stolz. Die Politiker haben zu jeder Zeit das Geschehen bestimmt, nicht der kleine Mann von der Straße.
Im Artikel vermisse ich den Begriff „soziale Kompetenz“, die Bereitschaft, zu arbeiten und zu teilen. Wir haben in kargen Zeiten gelernt, was es heißt, zu teilen. […] In unserem Lande haben Politiker und Beamte die sorgloseste Altersversorgung. Wer keine Beiträge zu den Sozialkassen zahlt, hat den besten Schutz. Die unbezahlte Rechnung sollte Ihre Generation den Zechprellern präsentieren, nicht jedoch den Beitragszahlern.
Der Artikel ist wirklich sehr schwach und unsachlich. Jetzt möchte wohl Ihre Generation uns Rentner enteignen und berauben. Zuerst wurde der Krankenkassen-/Pflegebeitrag eingeführt. Bald soll wohl der volle Beitrag gezahlt werden. Dann kommt die Besteuerung der Rente. Falls dies als zukunftssichernde Maßnahme nicht ausreicht und unsere Rente in unverschämter Weise noch über dem Sozialhilfesatz liegt, wird Ihre „Generation ICH“ unser eventuell vorhandenes Eigentum als zu berücksichtigendes Zusatzeinkommen bewerten und von der Rente abziehen. Der Fantasie in diesen Kürzungsorgien sind keine Grenzen gesetzt. Mit diesen gerechten Maßnahmen lassen sich die Lohnnebenkosten senken. Dann kommt der Aufschwung. Das gibt Arbeitsplätze. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute?
[…] Lieber Markus S., kennen Sie den Begriff der „wertschöpfenden Industrie“? Ich vergaß ganz zu erwähnen, dass ich als Konstrukteur Projekte abwickelte und kein Talkshow-Clown war. Ein Talkshow-Clown, der zwar schwarze Kassen besitzt, aber aufgrund sozialen Gerechtigkeitssinns die Schwarzarbeit bekämpft. Ich gehöre auch nicht zu den Persönlichkeiten, die am Ende ihres politischen Lebens Millionen für ihren eigenen Wohlstand erarbeiteten und natürlich keinen Beitrag für die eigene Alterssicherung zahlten. Auch ist es für die „Generation EGO“ viel einfacher, einer alten Oma das Sterbegeld zu streichen, als im globalen Wettbewerb einen Konkurrenten zu schlagen und Arbeit bzw. Arbeitsplätze nach Deutschland zu holen. Überlegen Sie daher auf Ihrem Flug nach Teneriffa, wenn auch rein fiktiv, wertschöpfende Industrien in unser Land zurückzuholen. Seien Sie innovativ, erarbeiten Sie eigene Werte und leisten Sie, wie unsere Generation, Ihren Beitrag zum Allgemeinwohl, und denken Sie nicht immer daran, wie man Rentnern das Geld aus der Tasche ziehen kann.
PAUL FROEHLKE, Bochum
Das Problem ist kein Generations-, sondern ein Klassenproblem. Die meisten deutschen RentnerInnen können nicht auf ihr Haus in Teneriffa fahren, sondern sind froh, wenn sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können, ohne Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Die Erhöhung der Renten sollte nicht prozentual, sondern nach Bedürftigkeit erfolgen.
Die zukünftigen Renten können nicht durch einen größeren Kinderreichtum bestritten werden, da diese Kinder später keine Arbeitsplätze erhalten, was der Autor ja begrüßt. Denn wie ist es sonst zu verstehen, dass er der Unternehmerpolitik zustimmt, die kostspieligen Arbeitsplätze zu reduzieren?
Die gleiche Engstirnigkeit, die der Autor der älteren Generation vorwirft, ist bei ihm selbst zu finden.
MARIE LUISE BRAUN, Frankfurt/Main
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