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Archiv-Artikel

Die RAF als Retro-Grusel KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE

Die Liberale Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat eine Gedenkverstaltung für Schleyer, Buback und Ponto angeregt, damit die Opfer der RAF nicht vergessen werden. Und sie fordert eine Initiative der Regierung, um die zeitgeschichtlichen Umstände der RAF zu erklären. Beides ist überflüssig.

Die Regierung sollte dafür sorgen, dass Schulkinder Deutsch lernen und Autos weniger CO2 in die Luft blasen – dem Volk erklären, warum es die RAF früher mal gab, braucht sie nicht. Wer das wissen will, der kann Dutzende von Büchern lesen oder Filme sehen. Und auch ohne Staatsakt werden die Opfer der RAF nicht dem Vergessen anheimfallen. Im Gegenteil: Die mediale Gier nach Angehörigen von RAF-Opfern scheint derzeit sogar unerschöpflich.

Zudem würde ein Staatsakt für RAF-Opfer in einer zweifelhaften Tradition stehen. Der Staatsakt für den ermordeten Hanns-Martin Schleyer war 1977 ein Schlusspunkt des sogenannten Deutschen Herbstes. Rechtskonservative wie Ernst Nolte hielten ihn für eine Wende: Erst dadurch sei die halbsouveräne Bonner Republik „Staat im Vollsinn des Wortes“ geworden, so Nolte, weil Volk und Regierung im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind zusammengeschweißt worden seien. An diese obrigkeitsfixierte Linie könnte ein Staatsakt für RAF-Opfer anknüpfen.

Die eigentliche Frage bei der aktuellen RAF-Debatte allerdings ist, warum es sie überhaupt gibt und worum es geht. Diese Debatte passt auffällig zu einer typisch deutschen Art der Vergangenheitsbeschäftigung: Man wendet sich der Geschichte am liebsten zu, wenn sie noch ein bisschen dampft, aber eigentlich nichts mehr auf dem Spiel steht. 2007 ist die RAF Geschichte geworden. Es gibt keine RAF-Sympathisanten mehr. Aber ihre Geschichte von Mord, Irrsinn und Irrtum reicht noch, um Gefühle in Schwung zu bringen, wie man an den widerlichen Racheinszenierungen mancher Boulevardblätter ablesen kann. So wird die RAF zu einer Art Retro-Grusel – weit genug weg, um nicht mehr wichtig zu sein. Und nah genug, um Affekte zu wecken.

Dabei geht es nur darum, dass ein paar Ex-RAF-Täter nach einem Vierteljahrhundert aus dem Knast kommen. Um ein normales rechtsstaatliches Procedere, nicht um eine Staatsaffäre.