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Archiv-Artikel

Die PhilosophieperformerInnen der Gruppe „DREI“ widmen sich auf Kampnagel Facetten des Gelächters Glucksende Anarchie

Am Anfang steht die Fage, warum die Christen nur einen Gott haben. Die Antwort präsentiert der Philosoph Bernhard Schleiser in der Show „Lachen“ auf Kampnagel mit einem Witz, den er bei Gil Deleuze gelesen hat: „Damals, als sich noch viele Götter im Olymp tummelten, behauptete einer von ihnen plötzlich, der einzig wahre Gott zu sein. Darüber lachten sich die anderen tot.“

Diese Anekdote wiederum lässt Schleisers Kollegen Christian Gefert in Gelächter ausbrechen. Es schüttelt ihn, er ist unfähig zu sprechen, kurz: der Philosoph verliert für den Augenblick des Lachens die Kontrolle über sich selbst. Mit dem Anthropologen Helmuth Plessner gesprochen, geht Gefert in diesem Moment ganz in seiner Leiblichkeit auf. Er verliert so die doppelte Wahrnehmung von sich selbst: Einerseits ist er Leib und spürt sich in seinen Befindlichkeiten. Andererseits kann er aus der Distanz über diesen Körper sprechen. Beispiel: Mein Knie schmerzt. „Lachanlässe sind für Plessner Situationen unausweichlicher Mehrdeutigkeit“, erklärt die Dritte im Philosophieperformance-Trio „DREI“, Heidi Salaverria. Mit ihrem Vortrag in der heutigen Show wird sie das Lachverständnis des Anthropologen darlegen. Sie erläutert den Unterschied zwischen dem anarchischen Lachen, dem ewigen Grinsen der Dauerironiker und dem bitteren Ernst der Dauerdogmatiker.

Inflationäre, selbstgenügsame Dauerironie bietet nach Ansicht der „DREI“ das Fernsehprogramm des RTL mit seinen penetranten Comedyshows. „In anarchisches Gelächter kann hingegen nur ausbrechen, wer sich den Dingen ernsthaft stellt.“ Nur dann, so Salaverria, könne man auch über sich selbst lachen und sich vom Ausbruch überraschen lassen. „Das wirkt für einen selbst wohltuend befreiend und bekommt seine politische Relevanz. Denn dieses anarchische Gelächter deckt gesellschaftliche Normen auf, stellt Herrschaftsverhältnisse in Frage“, so Salaverria. „Im Gegensatz dazu fixiert das Lachen über diskriminierende Witze gesellschaftliche Hierarchien.“

Ob pure Schadenfreude ebenso herrschende Machtverhältnisse stabilisiert oder doch anarchisch sein kann, darüber sind die „DREI“ unterschiedlicher Ansicht. Dies wollen sie mit ihrem Publikum diskutieren. Im Unterschied zu dem Anthropologen Plessner vertritt Salaverria die These, dass Lachen kulturell geprägt ist. Vor dem Hintergrund der eigenen gesellschaftlichen Position, der ethischen Werte und der Lebenserfahrung zieht es dem einen in einer bestimmten Situation womöglich unweigerlich die Bauchmuskeln zusammen, wo die andere kalt bleibt. „Fest steht, Macht lacht nicht“, so Bernhard Schleiser. „Weniger Mächtige lachen mehr, und das hat damit zu tun, dass dieses Verlieren an die eigene Leiblichkeit in unserer Kultur als niederes Verhalten gilt.“

Auf Kampnagel können die Zuschauer jetzt feststellen, was für ein Lachtyp sie selbst sind. Denn der Vortrag wird unterbrochen von kurzen Filmen, Texten und Witzen, „über die wir schon gelacht haben, jeder allerdings an anderer Stelle“, schmunzelt Schleiser. Es darf also gelacht werden, aber „kein Glucksen ohne Reflektion. Wir versuchen zu erklären, was uns im Einzelnen zum Ausbruch bringt oder auch, warum es uns kalt lässt.“ Dazu haben auch die Zuschauer Gelegenheit. Im Kleingruppengespräch ermitteln sie den lachwürdigsten Beitrag. „Mit Begründung selbstverständlich, und die kann durchaus lustig sein“, so Schleiser. KATRIN JÄGER

Philosophieshow „Lachen“: Do, 18.3., 20 Uhr, Kampnagel