Die PDS macht Geschichte : KOMMENTAR VON CHRISTIAN SEMLER
Der PDS-Parteitag am Wochenende, der die neue Linkspartei proklamieren wird, stellt eine Wende dar. Es sieht so aus, als ob das Bündnis mit den linken Sozialdemokraten der WASG die PDS endgültig von der emotionalen wie intellektuellen Fixierung auf die SPD als Hauptfeind befreien wird.
Parteigeschichtlich betrachtet, hatten die „Demokratischen Sozialisten“ von der untergegangenen Sozialistischen Einheitspartei nicht nur einen soliden Kaderstamm und einige Finanzen geerbt, sondern auch die Abgrenzung von der Sozialdemokratie. Über die Jahrzehnte hinweg galt ihr der „Sozialdemokratismus“ als die ideologische Bindung der deutschen Arbeiterklasse an das kapitalistische System. Wobei vom linken Flügel der SPD in den Augen der Kommunisten stets die größte Gefahr ausging, hinderte er doch die klassenbewussten sozialdemokratischen ArbeiterInnen daran, ins Lager der Revolution überzuwechseln. Linke Sozialdemokraten bildeten deshalb auch ein bevorzugtes Verfolgungsobjekt, als nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD an die Säuberung gegangen wurde.
Noch im Selbstverständnis der PDS stand ihrem „demokratischen Sozialismus“ – als Projekt, das auf lange Sicht und noch nicht erkundetem Weg den Kapitalismus überwinden wollte – der sozialdemokratische Reformismus entgegen. Denn der ruhte ja auf dem Boden der kapitalistischen Produktionsweise. Die neue „Linkspartei“ hingegen steht für die PDS nicht mehr im Kontext der „Einheit der Arbeiterklasse“. Sie verhält sich gegenüber einem solchen Einheitsgedanken ebenso skeptisch wie gegenüber der Idee, dass die „Klasse“ noch zur bestimmenden Achse, zum „Hegemon“ einer sozialistischen Umgestaltung werden könnte.
Obwohl den künftig in der Linkspartei organisierten ArbeiterInnen nach Auffassung der PDS eine Schlüsselfunktion bei der Verteidigung des Sozialstaats zukommt, neigen die PDSler einem pluralistischen Parteikonzept für sozial wie kulturell unterschiedliche Strömungen zu. Paradoxerweise könnten es jetzt die PDSler sein, die im Verhältnis von Kommunisten und Sozialdemokraten am entschlossensten die Last der Geschichte abwerfen.
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