: Die Natur sinnlich erleben
Der Herbst ist die richtige Zeit für Kinder, um die Geheimnisse der Natur zu erkunden, bevor der erste Schnee sie versteckt. Zahlreiche Projekte bieten Ausflüge an. Die taz ist auf Exkursion gegangen
VON PLUTONIA PLARRE
Wenn Umweltpädagoge Erwin Splettstößer in den Herbstferien mit 20 und mehr Kindern durch den Plänterwald zieht, schlägt er gern ein Spiel vor: das Eichhörnchenspiel. Dabei sind alle Kinder Eichhörnchen. Jedes bekommt fünf Erdnüsse in die Hand gedrückt und soll sie verstecken. Eichhörnchen seien unheimlich fleißig, aber ein bisschen dumm – das heißt, sie vergessen ihre Verstecke leicht, sagt Splettstößer zu den Kindern. Wenn ihr zwei von euren Nüsse wiederfindet, habt ihr den Winter überlebt. Die Reaktion ist Gelächter. Die Kinder halten sich für wesentlich schlauer. Nachdem alle Nüsse versteckt sind, macht jeder, was er will. Die einen spielen Fangen, andere suchen Blätter oder klettern auf Bäume. Wenn das Spielgetümmel am größten ist und keiner mehr daran denkt, kommt plötzlich die Aufforderung: Los, Nüsse suchen. „Die Hälfte der Kinder stirbt in der Regel“, fasst der Umweltpädagoge das Ergebnis zusammen.
Die Waldschule Plänterwald ist eine von sechs dieser Schulen in Berlin. Sie machen die Natur sinnlich erfahrbar. Die Nachfrage nach den mehrstündigen Exkursionen ist so immens, dass die Termine für Schulklassen, Kita- und Hortgruppen meist Monate im voraus ausgebucht sind. Vor allem Kinder mit Migrationshintergrund hätten kaum einen Bezug zur Natur, erzählt Splettstößer. „Viele waren noch nie in ihrem Leben im Wald und sind völlig von der Rolle, dass es hier keine Tiger und Schlagen gibt.“ Auf die Frage, was Wildschweine fressen, bekomme er eins ums andere Mal zu hören: „Menschen“.
Das Umweltzentrum Ökowerk am Teufelsberg hat da mit einer ganz anderen Klientel zu tun. Die Kinder, die hier an den Ferienkursen wie „Papier und Wald“ und „Popcorn und Maischips“ teilnehmen, kommen aus Bezirken wie Charlottenburg-Wilmersdorf. „Sie kennen sich ziemlich gut aus, was die Natur angeht“, sagt der Umweltpädagoge Reiner Grube. Trotz einer Kursgebühr von 44 Euro pro Woche sind die Veranstaltungen des Ökowerks nahezu ausgebucht. Nur für den Kurs „Wald und Papier“ werden noch einige wenige Kinder gesucht.
Reichlich Plätze gibt es dafür noch in dem „Naturworkshop“ für Kinder, der vom Freilandlabor Britz am Dienstag und Donnerstag kommender Woche angeboten wird. Bäume, Kastanien, Buchen und Eichen werden da unter die Lupe genommen: „Viele Kinder wissen gar nicht mehr, wie diese Bäume aussehen oder welche Früchte sie tragen“, stellt Umweltpädagoge Friedrich-Karl Schembecker immer wieder fest. Und die in Berlin lebenden Rabenvögel könnten selbst viele Erwachsene nicht unterscheiden, geschweige denn, dass sie die Namen wissen: Nebelkrähe, Elster, Dohle und Saatkrähe. Nicht zu vergessen den im Umland vorkommenden Kolkraben. Aber wo sollten solche Kenntnisse auch herkommen, wenn die Kinder die meiste Zeit ihrer Ferien zu Hause vor dem PC säßen, so Schembecker. Natur hautnah erleben sei dazu doch eine „prima Alternative“. Aber auch den Naturworkshop gibt es nicht umsonst. Kostenpunkt: 18 Euro.
Adressen siehe Text unten