: Die Nase muss kitzeln und die ....
... Augen tränen: Das ist wahrer Meerrettich. Meerrettich ist nicht nur scharf, sondern ebenso vielseitig in der Küche verwendbar: Als Partner von Tafelspitz und Lachs, als Sud für Waller und Stör oder als Mus zu Kaviar und Roter Bete. Und was wäre Karpfen blau ohne Meerrettich? Der halbe Genuss.
Ganz abgesehen davon, dass die aparte Gewürzstange den ordinären Brotaufstrich belebt. Neben den scharfen Gaumenfreuden überzeugt die weiße Stange auch aus ernährungsphysiologischer Sicht.
Das Gemüse enthält nämlich sehr viel Vitamin C. In der Fachliteratur werden Werte von bis zu 240 Milligramm pro hundert Gramm Frischware angegeben, weshalb Meerrettich mancherorts auch als bayerische Zitrone bezeichnet wird.
Wichtig bei alledem ist, dass man Meerrettich nicht schneidet. Denn nur gerieben entfaltet er seinen ganzen Reiz. Werden doch beim Zerreiben die scharfen Senfölglykoside in Zucker und Allylsenföl aufgespalten.
Tafelfertiger Meerrettich enthält geriebenen Meerrettich sowie Salz, Zucker, Essig, Zitronensäure, Sahne und Gewürze. Die Handelsklasse I stellt hohe Anforderungen an dieses Gewürzgewächs. Tadellos weiß soll’s innen sein, ohne graue Streifen. Außen glatt, krautfrei, unvergabelt.
Bitterstoffe sind unerwünscht. Vermieden werden sie, wenn man die ursprünglich aus Südrussland stammende Stange nicht zu früh erntet und nicht zu lange lagert.
Die Hauptanbaugebiete liegen im Spreewald, in Bayern und Baden-Württemberg. Wie viel Hektar in Deutschland tatsächlich kultiviert werden, weiß niemand ganz genau.
Statistiken geben widersprüchliche Angaben zu dieser randständigen Kultur. Aus dem Spreewälder Raum kommen ungefähr 140 (während des Sozialismus waren es noch rund 1.500) Tonnen, während man über tausend Tonnen in Bayern ausbuddelt.
Spitzenreiter im Spezialanbau ist Ungarn, wo viertausend Hektar Meerrettich die ausländischen Märkte bedienen. Unter anderem auch den zwischen Füssen und Flensburg, wo fast jede zweite Stange, ob nun frisch oder in der Glaskonserve verarbeitet, ungarischer Provenienz ist.
Biomeerrettich wird von mehreren Gemüsebauern im fränkischen Raum angebaut. Ihre in Konserven verarbeitete Ware gibt’s in jedem Naturkostladen. Hingegen bietet im Spreewald kein Meerrettichanbauer zertifizierte Ökoprodukte an, obgleich die im Biosphärenreservat gezogenen Exemplare aus Nebenerwerbsbetrieben meist keinen Kontakt mit Agrochemie haben.
In der DDR galt Meerrettich als begehrtes, teures Lebensmittel. Mit der Wende gingen die Preise in den Keller, in der Folge blieben die Anbau-flächen brach. Inzwischen hat sich aber auch unter Wessies rumgesprochen, dass der seit einigen Jahren herkunftsgeschützte Phänotyp aus dem Spreewald etwas ganz Besonderes ist. Einfach ziemlich scharf, aber fein im Geschmack.
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