Die Lage am Lago: Wenn Ösis lachen
Schau dir das Doppelkinn an. Die Österreicher sind da, im Pressezentrum am Tenero. Wir sind felsenfest überzeugt, die Schluchtis sogar von hinten zu erkennen.
TENERO taz Das könnte einer sein. Genau, schau dir das Doppelkinn an. Typisch. Oder der, der hat sich wahrscheinlich seit Córdoba nicht mehr rasiert. Abergläubischer Alpentrottel. Neue Gesichter sind aufgetaucht im Pressezentrum von Tenero. Die Österreicher sind da. Auch wir spielen das Spiel der ausgestreckten Zeigefinger mit. Schau den an, feixen wir und sind felsenfest überzeugt davon, dass wir die Schluchtis sogar von hinten erkennen können. Der trägt den Gürtel ja auf Kniekehlenhöhe, lachen wir. Der Gemeinte dreht sich um. Er sieht aus wie DFB-Mediendirektor Harald Stenger. Er ist es. Wir erschrecken, grinsen, grüßen freundlich, begleiten ihn ein paar Meter. Wir hören, wie hinter uns jemand zu Boden fällt. Der vollbärtige Córdoba-Jünger beschwert sich: Ganz schön rutschig hier, sagt er.
Andreas Rüttenauer ist Redakteur im taz-Ressort Leibesübungen.
Sie sind nicht sonderlich beliebt, die Kollegen aus dem Nachbarland. Das Freundlichste, was man so hört: Drollig, ich muss immer lachen, wenn die reden. War es ein schwäbischer Kollege, der das gesagt, ein fränkischer oder gar ein Sachse? Egal, jedenfalls kein Drolliger. Manche sind ganz einfach zu erkennen, diejenigen, die ORF-gebrandet sind zum Beispiel. Die sind stinksauer an diesem Tag. Über den Uefa-Mediendienst hatten sie erfahren, dass die Deutschen um elf Uhr trainieren, und wollten letzte Bilder vom Training schießen. Denkste. Da war kein Training. Es gab keine Bilder für die Ösis. Die hätten so gern gezeigt, wie die deutschen Fußballer ihre ganz spezielle Art des Feldhandballs spielen, um sich auf das Match der Matches vorzubereiten. Das geschieht ihnen recht, hören wir Kollegen sagen.
Machen die das etwa auch? Ein Österreicher - wir wissen, dass es einer ist, er hat gerade gar drollig gesprochen - zeigt mit dem Finger auf deutsche Kollegen. Er und sein Begleiter müssen lachen. Wir finden unverschämt, was die da machen, gehen zu den beiden hin und fragen, was das soll. Ich habe ihm, erklärt der eine und zeigt auf den anderen, gezeigt, wer das gewesen ist, der mich gerade nach den Stärken des ÖFB-Teams gefragt hat. Nach den Stärken des ÖFB-Teams, wiederholt er und lacht noch lauter als zuvor. Dann merkt er, dass etwa 20 Finger auf ihn gerichtet sind, und er verstummt. Er fragt uns, was die Deutschen haben. Glauben die denn wirklich, dass Österreich gewinnen kann? Verrückt.
Endlich merken die Kollegen aus dem Land unseres finalen Gruppengegners, warum sie einen schlechten Stand haben bei den deutschen Sportreportern. Sie umringen einen Aushang und studieren die Angebote des örtlichen Fremdenverkehrsamts für die angereisten Journalisten. Am Mittwoch ist ein Golfturnier für Medienschaffende geplant. Dafür trainieren etliche Kollegen schon sein fast zwei Wochen. Am Mittwoch! Nicht auszudenken, wenn die Deutschen dann schon raus sind. Wo ist die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn? Bei diesem Österreicherwitz können auch die ORFler nicht mehr an sich halten. Irgendwo bei Kufstein. Diesmal verstehen selbst wir, warum die Ösis lachen.
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