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Archiv-Artikel

FÖDERALISMUSREFORM: STOIBER HAT’S AM SCHWERSTEN Die Länder bleiben unberechenbar

Ort und Zeit sind geheim. Niemand soll wissen, wann und wo Franz Müntefering und Edmund Stoiber die totgesagte Föderalismusreform nachösterlich wieder auferstehen lassen wollen. Die Geheimniskrämerei hat einen guten Grund. Trotz allen Optimismus der letzten Tage: Abgemacht ist noch gar nichts. Und selbst wenn die beiden Chefs der bis heute formal nicht aufgelösten Föderalismuskommission in dieser Woche zu einem schnellen Ergebnis kämen, kann sich zumindest Stoiber des Rückhalts der Länderfürsten nicht sicher sein.

Die Kompromissvorschläge des Bayern sind nicht neu. Stoiber will dem Bund in der Bildungspolitik das Rahmengesetz für Zulassung und Abschlüssen an Hochschulen machen lassen und ihn auch auf europäischer Ebene in Hochschulfragen einbinden. In der SPD wird heftig genickt. Der Haken aber ist: Dies wollte Stoiber seinen Länderkollegen bereits im vergangenen Herbst als Verhandlungslinie vorgeben – und scheiterte damit. Für Stoiber spricht im Moment nur, dass der öffentliche Druck zur Einigung jetzt ungleich höher ist als noch im Herbst. Aber davon lassen sich die Ministerpräsidenten nur selten beeindrucken.

Müntefering hat es da einfacher. Sein verführerischer und politisch naiver Vorschlag, doch bitte zumindest jene 80 bis 90 Prozent der Kommissionsergebnisse umzusetzen, über die schon Einigkeit bestand, kommt gut an. Die Union wirkt daneben wie ein Haufen kleinkarierter Erbsenzähler. Und gemessen an ihrer bisherigen harten Haltung kann Müntefering seinen Leuten jedes noch so kleine Zugeständnis der Länder als großen Sieg verkaufen.

Die Länder sollte das nicht hindern, jedem Kompromiss zuzustimmen, den Müntefering und Stoiber finden. Zum einen gewinnen sie gegenüber den bisherigen Regelungen neue Kompetenzen, zum anderen können die Wähler ihren Unmut wieder zielgerichtet loswerden. Wer heute per Stimmzettel gegen Hartz IV protestieren will, kann ja nur noch ungültig stimmen oder Extremisten wählen. Ohne eine Föderalismusreform wird diese Falle nicht entschärft werden können.

THORSTEN DENKLER