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Die Konsequenzen: Verlegekarussell

■ Mit Zwangsverlegungen und Demütigungen versuchen die Anstalten, das neue Selbstbewußtsein zu brechen

Es gibt offiziell nach dem Aufstand 24 Zwangsverlegte, zu 14 von ihnen haben wir Briefkontakt. Einige der Verlegten sind bis heute nicht bekannt, die sind einfach verschwunden. Vom Hochsicherheitstrakt beziehungsweise Untersuchungsgefängnis weiterverlegt in andere Knäste, teilweise andere Bundesländer, sind es bisher mindestens sieben.

Im Moment sind die Zwangsverlegungen gestoppt, da bei vielen Anträge vor der Strafvollstreckungskammer auf Rückverlegung anhängig sind. Die Sache ist noch im Laufen, sieht aber auf der juristischen Ebene schlecht aus. Allerdings scheint Justizsenator Curilla auch Schwierigkeiten zu haben, noch neue Knäste zu finden, die bereit sind, die Leute zu nehmen.

Ganz deutlich ist, daß Santa Fu nach dem Aufstand mit dem völlig konstruierten Argument der „Rädelsführerschaft“ die Gefangenen loswerden will, die sie schon lange nerven. Mit dem, was tatsächlich während des Aufstandes gelaufen ist, haben die Verschleppungen nichts zu tun.

Nach dem Aufstand hat sich unsere Gruppe zur Unterstützung der Gefangenen draußen gegründet; parallel und unabhängig davon eine Gefangenengruppe in Santa Fu selbst. Sie nennen sich „Apo Fu 1-2-5-8“ - 1,2,5,8 sind die Anstalten, die es auf dem Knastgelände in Fuhlsbüttel gibt.

Die offizielle Insassenvertretung besteht nur noch aus drei Leuten. Die anderen sind entweder abgesprungen oder eben verschleppt worden. Zwei dieser Insassenvertreter haben spätestens seit dem Aufstand das Vertrauen der Gefangenen endültig verloren, da sie stark abgewiegelt haben.

Die Haftbedingungen sind in ganz Santa Fu verschärft statt verbessert worden.

A., Santa Fu-Gruppe - 31.7.90

c/o Cafe und Buch

Holstentor 186

2000 Hamburg 50

Psychoterror

Wolfgang Husmann wurde tagelang nackt und völlig bewegungsunfähig auf eine Pritsche gefesselt. Mindestens vier Tage hat er weder Essen noch Trinken bekommen. Um ihn zu desorientieren, wurde er mit Psychopharmaka vollgestopft und von allen Schließern mit falschem Namen angesprochen. Sie nannten ihn “ Wassermann “.

Info der Santa-Fu-Gruppe

Demütigungen

(...) Hier im Untersuchungsgefängnis angekommen, wurden wir alle einzeln nochmal gefilzt. Ich sollte mich dann ausziehen, um die Knastklamotten zu bekommen. Man sagte zu mir: „Fang an mit der Peep Show!“ Also zog ich mich aus bis auf die Unterhose. Denn zwischen den ganzen Beamten befand sich eine Frau, die ich nicht einzuordnen wußte. Man sagte mir, ich solle weiterstrippen und die Unterhose endlich ausziehen. Ich antwortete: „Nicht vor der Dame da!“

Und schon fielen etliche über mich her, drehten mir erneut im Polizeigriff die Arme nach hinten. Dazu bekam ich noch die Acht umgelegt. Ein Beamter schlug mit dem Gummiknüppel auf mich ein. Die ganze Meute zerrte mir nun die Unterhose vom Leib. Der diensthabende Schichtführer sagte zu den Beamten, ich müsse mich erstmal beruhigen. Also wurde ich nackt, mit gefesselten Händen auf dem Rücken in die Glocke gebracht. Die Frau immer mit.

In der Glocke wurden mir als erstes die Füße angeschnallt, dann die Schellen vom Rücken abgemacht und auf der Matte gleich wieder fest. So lag ich nun wie gekreuzigt auf der Matte. Jetzt stellte sich heraus, daß die Frau Ärztin ist. Ich sagte ihr gleich, daß meine Arme und Hände schmerzen und auch mein Kopf. Sie sah mich nur schief an und verließ dann mit den Beamten die Glocke (...)

E. S. - 22.6.90 - inzwischen in Vierlanden

Erfahrung kollektiver Stärke

(...) In Köln hatte man mich zwar auf Absonderung gehalten, aber ich konnte mit Leuten über und neben mir Kontakt aufnehmen. Nachdem ich zwei Tage keinen Hofgang gekriegt hatte, hatten die meisten schon den festen Vorsatz, in den Hungerstreik zu gehen, wenn ich nicht bald in den Hofgang käme. Das hat mich ungemein aufgebaut. Mein „Obermann , ein Jugoslawe, hat seinen Spiegel aus der Wand gerissen und ihn mir runtergelassen, und es wurde über das ganze Stockwerk über Fenster Kaffee und Tabak gependelt. Es kam eine richtige Gemeinsamkeit zustande, nachdem ich sie alle ein wenig aufgerüttelt hatte. Auf der Station waren lauter frisch Verhaftete, aber nach zwei Tagen hatten sie alle Kontakt und es war ein reges Treiben im ganzen Haus. Eine tolle Sache! Nachdem ich an die Grünen geschrieben und dem Abteilungsleiter meine Meinung gesagt hatte, kam ich dann am dritten Tag doch noch mit drei Schergen zu meinem Hofgang. (...)

R. G. - 10.7.90 - inzwischen in Freiburg

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