Die Infobox fürs Stadtschloss, das nicht gebaut wird: Aussichtslos
Mit Pomp wurde am Donnerstag das Richtfest für die Humboldt-Box gefeiert. Dabei ist die Aussichtsplattform seit der vorläufigen Absage ans Stadtschloss das sinnloseste Gebäude der Stadt.
Mit einem "Wow-Faktor" wirbt ein Riesenplakat an dem Baugerüst für Computerprozessoren. Im dahinter versteckten Rohbau haben am Donnerstag Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) und 200 geladene Gäste Richtfest für die Humboldt-Box gefeiert. Ab nächstem Jahr soll man auf 3.000 Quadratmetern erfahren, wie das zukünftige Stadtschloss und das Humboldt-Forum einmal aussehen sollen. Blöd nur: Beides wird es in den nächsten Jahren nicht geben.
Statt wow also mau: Der Bau des Humboldt-Forums ist den Sparplänen der Bundesregierung zum Opfer gefallen. Der Beginn des 552 Millionen teuren Schlossbaus ist auf mindestens 2013 verschoben. Keine barocken Mauern für die Retrofans und kein Humboldt-Forum für Museumsgänger wird es geben - und dennoch hält die Stadtentwicklungssenatorin eisern an der Box fest. Sie sei nicht nur "Platzhalter", sondern für Besucher aus der ganzen Welt "Botschafterin für das Humboldt-Forum", sagte Junge-Reyer und forderte die Bundesregierung auf, schnellstmöglich eine Entscheidung für den Baubeginn zu treffen.
Stadtschloss: Laut einem Sparbeschluss des Bundestages vom Juni ist der Bau des 552 Millionen teuren Prestigegebäudes erst einmal gestoppt. Vor 2014 gibt es dafür keine Mittel im Haushalt. Ursprünglich sollte Anfang 2011 Baubeginn sein.
Humboldt-Box: Auch ohne Schloss soll die Idee eines Humboldt-Forums Zukunft haben. Damit das Konzept nicht in Vergessenheit gerät, sorgt ein fünfstöckiger Bau vor der Schlossbaustelle für Präsenz. Wer die 5 Millionen Euro Baukosten trägt, ist ungewiss.
Temporäre Kunsthalle: Der 2008 eröffnete Kunstcontainer wird, wie geplant, am 31. August geschlossen und dann abgebaut. An seinem Standort wird der Eingang zum neuen U-Bahnhof Museumsinsel entstehen. Baubeginn soll 2011 sein.
Wiese: Seit Juli 2009 bedeckt ein Rollrasen mit Holzplanken den Schlossplatz. Das 1,4 Millionen teure Landschaftsarchitekten-Grün sollte ursprünglich im Winter 2010 der Schlossbaustelle Platz machen. Jetzt ist die Zukunft der Wiese offen.
Shakespeare: Nach Plänen von Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) soll der Schlossplatz vorübergehend zum Freilufttheater werden. Die Shakespeare-Company soll die Brachfläche in einem historischen Theater bespielen. Wer die Kosten dafür trägt, ist noch unklar. (taz)
Die Schlossfrage ist nicht die einzige Unklarheit: Wie die 5 Millionen für den Bau der werbefinanzierten Box eingefahren werden sollen, ist derzeit unklar. Denn ohne Schlossbau gibt es auch keine Baugerüste und keinen Bauzaun, an dem die Werbung hängt. Einzige Einnahmen sind nur der 2,50 Euro Eintritt für die Ausstellungen und die Pacht des Cafés auf der Dachterrasse. Werbung an der fertigen Box ist laut Berliner Bauordnung verboten, da das Ensemble rund um den Berliner Dom unter Denkmalschutz steht. "Wir müssen mit unseren Vertragspartnern Lösungen suchen", sagt Gerd Henrich, Chef der Firma Megaposter, dem Bauherrn der Box. Die Senatorin wies jede Verantwortung von sich.
Die Bezeichnung Box für die temporäre Aussichtsplattform ist eine Untertreibung: 32 Meter lang, 20 Meter breit ist der Betonbau. Aus den derzeitigen drei Geschossen sollen bis zum Jahresende fünf werden - plus Dachterrasse mit Café. Auch die Landesbibliothek, die Humboldt-Universität und die außereuropäischen Sammlungen werden sich präsentieren.
Thomas Flierl, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linken, sieht die Humboldt-Box kritisch: Wenn das Konzept nicht geändert werde, sei das ein "Monument des Scheiterns". Flierl befürchtet, dass die Box lediglich als "Aquisebox für fehlende Spenden" genutzt werde.
Optimistischer ist die Stiftung Berliner Schloss - Humboldt-Forum. "Wir werden die Zeit nutzen, um in der Bevölkerung für mehr Akzeptanz zu werben", erklärte Sprecher Bernhard Wolter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?