■ Die Gourmet-Bilanz der Funkausstellung: Speisen bei den Einspeisern
Berlin (taz) – Die Funkausstellung ist ein sich selbst erzeugendes Ereignis: Menschen gehen hin, weil Menschen hingehen. Doch während sich das Rezipientenpack träge durch die Hallen schiebt, um an den Messeständen Kulis, Aufkleber und Schirmmützen zu schnorren, sitzen die Herrschaften von der Presse in gut abgeschirmten VIP-Lounges, lassen es sich gut gehen und reden dummes Zeug. Ein Tourneebericht.
ARD: Wer am ARD-Stand jung und/oder weiblich ist, muß entweder eine Kellnerin oder Sabine Christiansen sein. Das übrige Publikum besteht aus älteren Herren mit Bierglas, vom jahrelangen Sitzen in Programmkonferenzen gezeichnet. In der ersten Reihe ist Schmalhans Küchenmeister: Man reicht Würstchen, Gewürzgurken und bestenfalls Spaghetti. Alles gesponsert, sonst gäbe es wahrscheinlich gehässige Kommentare wegen Rundfunkgebühr. Diverse ARD-Prominenz: Ulrich Wickert, Wolfgang Menge et cetera.
ZDF: Lebensgroße Mainzelmännchen präsentieren die Speisekarte, Essen erinnerte an Hertie- Restaurants: solide Hausmannskost, zum Beispiel Nudelauflauf und andere leckere Sachen. Schöner Blick auf Bungee-Springer im Messegarten.
RTL: Hier wird nicht gespart, schließlich ist man Marktführer. In einem großen Zelt gibt es täglich wechselnde Trendkost: Pasta, undefinierbar-asiatisch, nachmittags Mohnkuchen. Jungsche Klientel. Männliche RTL-Mitarbeiter tragen gerne Jacketts in Farben, die in den Augen schmerzen.
RTL 2: Fürs Publikum gibt es auf der RTL 2-Bühne Houserunning, für die VIPs ein Hinterzimmer, das an ein Café im Englischen Garten erinnert – mit Terrasse und Gästen, denen es offensichtlich zu gut geht. Nur Getränke, keine Promis.
Sat.1: Bei Kirchs hat man so viele Einladungen verschickt, daß die Pressetribüne meist wegen Überfüllung geschlossen ist. Deutlich gesetzteres Publikum als bei RTL, hohe Schnauzbartquote, okayes Salatbüffet. „Rotkäppchen“-Sekt soll wohl Verbundenheit mit den neuen Bundesländern demonstrieren (Kruzifixe zwecks besserer Geschäftsabwicklung abgehängt).
Pro Sieben (früher Pro 7): Frischgepreßte exotische Fruchtsäfte, Schampus, Essen à la carte. Pro-Sieben-Mitarbeiter reden münchnerisch und sehen sämtlich aus, als hätten sie BWL (oder BMW) studiert. Am Samstag gibt es bürgerkriegsähnliche Szenen, als Ex-Take-That-Sänger Robbie zu der Talkshow „taff“ kommt. Etwa 500 kreischende und weinende Teenagerinnen schleifen während seines Auftritts beinahe den Messestand. Robbie leert in einer halben Stunde eine Flasche Champagner.
Kabel 1: Hier hängen Münchner Schickeria-Kinder rum, sind wichtig und lassen sich von Hostessen in gelb-silbernen Techno-Kostümen bedienen. Zum Schnabulieren gibt es Schnittchen und Kiwi-Saft. Kichernde Abiturientinnen an der Theke entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Moderatorinnen.
n-tv: Alle JournalistInnen sind bekanntlich Alkoholiker. Bei n-tv, dem Bonsaisender, dem früher Schnapsnase Staisch vortrank, gibt's darum Hochprozentiges, unter anderem Wodka Gorbatschow.
Telekom: Kaum privatisiert, schon wird gepraßt: Riesiger, gediegener Pressestand voller Anzugträger. Mondäne Speisenauswahl: Lachs, Burgunderbraten, Forelle blau.
Microsoft: Unspektakuläre Presse-Lounge mit Kaffee und Plätzchen, aber die Tüten von Microsoft, die überall auf der IFA zu sehen sind, lieferten das geheime Messemotto: „Where do you want to go today?“ Tilman Baumgärtel
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