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■ Die Geschichte der Treter: Eine Ausstellung in DüsseldorfAuf du und du mit dem Schnabelschuh

Düsseldorf (taz) – Schuld war nur ein hinreißendes Paar Damenschnürstiefel. Mit ihnen begann, Anfang der sechziger Jahre, die Passion von Ernst Tillmann (70) aus Viersen: das Sammeln von Schuhen aller Zeiten und Kontinente. Der gelernte Schuhmacher und Kaufmann in der dritten Familiengeneration hat bis heute 1.200 Paar Treter zusammengetragen, von der Römerlatsche anno CC bis zum Designerstiefelchen unserer Tage. Im Düsseldorfer Stadtmuseum kann man derzeit (bis 31. Juli) auf all diesen Schusters-Rappen durch die Kulturgeschichte galoppieren. Wer da glaubte, ein Schuh sei bloß ein Schuh sei bloß ein Schuh, wird eines Besseren belehrt. Jede Menge Kunst am Fuß trägt die Menschheit seit Urzeiten mit sich herum, die Mächtigen und Reichen kamen stets in ausgebufftem Imponierschuhwerk daher, und Modetorheiten gab es schon vor Jahrhunderten, gegen die sich die gewagtesten Pumps von heute geradezu orthopädisch wertvoll ausnehmen.

Verkrüppelte Damenfüßchen galten im alten China bekanntlich als schick und sexy – die Düsseldorfer Ausstellung zeigt neben einem erbarmungswürdigen Gipsmodell die passenden seidenen Stummelfutterale. Als dann im 17. Jahrhundert ein Fußverkrüppelungs-Verbot erging, stieg die Mandschu-Dame von Welt auf schwindelerregende Stelzschuhe um, damit sie weiterhin dem reizend unbeholfenen Trippelschritt huldigen konnte. Je höher ihr Rang, desto höher durfte der Sockel sein. Nicht anders war es bei der distinguierten maurischen Spanierin, die es auf bis zu einem halben Meter Korkeiche unter den Füßen brachte.

Toll trieben es auch die von der Schnabelschuhmode Gepackten. Als ihre spitzen Dinger, ursprünglich ein Importartikel aus Nahost im Gefolge der Kreuzzüge, eine Überlänge von bis zu 75 Zentimetern erreichten, griff 1468 der Papst ein und geißelte sie als „eine Verhöhnung Gottes und der Kirche, eine weltliche Eitelkeit und irre Dreistigkeit“. Doch nicht an diesem frommen Bannstrahl ging der Schnabelirrwitz zugrunde, sondern an seinem durchschlagenden bzw. -stechenden Erfolg: Als am Ende des 15. Jahrhunderts auch Handwerker und Bauern auf solch großem Fuße lebten, war aus dieser Mode definitiv die Luft raus.

Machen wir einen großen Sprung – hinweg über den Kuhmaulschuh des Renaissance-Bürgers und den Bundschuh des aufmüpfigen Bauern, über die plumpen roten Absätze des Sonnenkönigs und die derben Holzpantinen („sabots“, daher der Name Saboteur!) der französischen Revolutionäre, den leichtfüßigen Empireschuh und den extravaganten Stulpenstiefel des englischen Dandys – hinein in unser Jahrhundert. Hei, wie sie fesch aus der Vitrine grüßen, der zwiegenähte Trachtenschuh aus Deutschland 1933–39, der holzgenagelte Burschenhalbschuh „Bergheil“ aus der selben Zeit und die endsiegverdächtige Sandalette mit massiver Aluminiumsohle („Deutsches Reichs-Patent“)! Doch weit haben sie nicht getragen. Ab 1945 tauchen ärmliche Holzsandalen mit Riemen aus Gasmasken auf und Schuhe mit diskret als Futter verarbeiteter Hakenkreuzfahne.

Wer diese multikulturelle Schuh-Schau gesehen hat, der wird sich über nichts mehr wundern, was avantgardistischen Fußverpackungs-Tüftlern noch so einfallen mag: Es ist alles schon dagewesen. Als nächstes tippe ich übrigens auf die Wiedergeburt der glöckchenbehängten türkischen Badehaus-Holzstelzsandale. Und auf die Wiederentdeckung jenes drehbaren Patent-Stiefelabsatzes von 1910, den man erst rundherum schieflaufen konnte, ehe er erneuert werden mußte. Olaf Cless

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