■ Die anderen: Die „Financial Times“ (London) und „La Tribune“ (Paris) schreiben zum Grundsatzpapier von SPD und Labour / „Der Standard“ (Wien) meint zur drohenden Todesstrafe im Öcalan-Prozeß / „Liberation“ (Paris) über den Frieden im Kosovo
Die „Financial Times“ aus London schreibt zum Grundsatzpapier von SPD und Labour: Das Grundsatzpapier zur Sozialdemokratie von Tony Blair und Gerhard Schröder sagt viele richtige Dinge über die Marktwirtschaft. Wichtiger noch: Es erteilt einigen der verbohrten Ideen eine Absage, die in der Linken immer noch herumgeistern. Es mag noch etwas dauern, bis dies der Konsens der linken Mitte in Europa ist. Der sozialistische französische Premierminister Lionel Jospin hat sich geweigert, diese neue Doktrin zu unterschreiben. Alles in allem ist das Dokument ein geschlossenes Glaubensbekenntnis für die linke Mitte – und auch für viele Konservative.
„La Tribune“ aus Paris dagegen meint zu dem gleichen Thema: Das von Tony Blair und Gerhard Schröder verfaßte „Manifest“ der europäischen Sozialdemokratie ist zweifellos nicht ohne nationale politische Hintergedanken entstanden. Aber es ist auch ein Stein in den Garten der französischen Sozialisten. Mit großen Gesten Eindruck schinden auf der Bühne der bevorstehenden Wahlen ist eine Sache; einen gemeinsamen Entwurf für eine gemeinsame Sozial- und Wirtschaftspolitik zustandezukriegen, ist eine andere Übung, bei der die großen Tenöre der europäischen Linken noch einige Prüfungen bestehen müssen.
„Der Standard“ aus Wien meint zur drohenden Todesstrafe im Öcalan-Prozeß: Daß Öcalan nicht zum Tode verurteilt wird, kann man sich beim jetzigen Stand der Dinge kaum vorstellen. Im Plädoyer des Staatsanwaltes klang nicht nur an, daß Öcalans Reue als Wiedergutmachung nicht reichen würde, sondern der Ankläger unterstellte ihm explizit Unaufrichtigkeit. So werden es wohl die meisten Türken – und die Richter – sehen. Aber die kurdische Hand auszuschlagen wäre, wenn nicht Selbstmord für den türkischen Staat, dann doch politischer Wahnsinn. Öcalan darf nicht sterben, wenn die Türkei zur Ruhe kommen soll.
„Libération“ aus Paris kommentiert die schwierige Umsetzung des Friedens im Kosovo: Nach drei mit unnützen Querelen verlorenen Tagen zeichnet sich nun doch ein Frieden ab – trotz der Manöver aus Peking. Aber ein bewaffneter Frieden, ein Frieden, der, zumindest in der ersten Zeit, ein Kampf sein wird und der die ersten Opfer in den Reihen der Alliierten fordern könnte. Und man weiß: Die Friedensaktion im Kosovo wird kein erholsamer Ausflug. Es werden zahlreiche Barrieren zu überwinden sein – darunter die „verrückten Hunde“ der paramilitärischen Einheiten und vielleicht auch der UÇK, Minen und andere Fallen aller Art.
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