piwik no script img

Die Farbe LilaKleine Pfützen Selbsthass

Kolumne
von Susanne Klingner

Auch Feministinnen verschwenden ihr Leben zuweilen mit Putzen. Entspanntes Zusammenleben hinter dreckblinden Fenstern funktioniert nur, solange kein Besuch kommt.

So frisch sieht keine Hausfrau nach dem Putzen aus! : dpa

I ch stehe in der Küche, Schweiß auf der Stirn, Allzweckreiniger in den gummibehandschuhten Händen. Ich putze. Wie eine Wahnsinnige. Es hat sich Besuch angekündigt.

Ich hasse Putzen, und was ich noch mehr hasse: wenn ich nur deshalb putze, weil andere Menschen Gutes von mir denken sollen.

Dabei habe ich es vor einigen Jahren als großen Triumph gesehen, Putzen nicht mehr befriedigend zu finden. So war es nämlich immer gewesen: Glänzte die Küche, hatte ich das Gefühl, mein Leben im Griff zu haben. Ich hatte damals, als Kind und Jugendliche, wie vermutlich so gut wie jedes andere Mädchen gelernt, Sauberkeit und Ordnung seien oberste Bürgerinnenpflicht.

Susanne Klingner ist Mitautorin des Buches "Wir Alphamädchen" und bloggt auf mädchenmannschaft.net.

Bis mir die Idiotie daran auffiel, und: dass ich nur meine Zeit verschwende, wenn ich dem stetig nachwachsenden Dreck zwanghaft Herrin zu werden versuche.

Nur wenn Besuch kommt, falle ich in alte Putzmuster zurück. Und bin enttäuscht von mir, die ich doch glaube, emanzipiert zu sein.

Beim Putzen hört die Emanzipation auf. Und zwar egal, ob es ein Paar hinkriegt, sich den Haushalt gleichberechtigt aufzuteilen - das ist gar nicht der Punkt, obwohl schon das schwer genug umzusetzen ist. Nein, sogar wenn man wie der Mann und ich ein entspanntes Miteinander mit unseren Staubflusen und dem herumstehenden Abwasch pflegen, kann ich mir immer noch nicht gelassen sagen: In meiner Wohnung kann ich tun und vor allem lassen, was ich will.

Denn in diese Wohnung kommen ab und an Eltern, Verwandte, Freunde. Und die bringen in der Mehrzahl die Erwartung in mein Heim, dass ich meine verdammte Pflicht zu erfüllen habe. Schauen sich dann kritisch um, wie es beim Mann und mir zu Hause so aussieht, und angesichts von Chaos und herumfliegenden Zeitungsteilen, Büroklammern, Strickjacken und dreckblinden Fenstern denkt kein einziger dieser Besucher, darauf verwette ich meine gesamte feministische Bibliothek: "Der Mann hat aber seinen Haushalt nicht im Griff."

Genau wie sie die Lasagne kommentieren: "Schmeckt super" und mich dabei beglückwünschend anschauen, auch wenn der Mann die letzten zwei Stunden in der Küche stand und ich mich darauf beschränkt habe, den Käse obenauf zu streuseln.

Wir können uns das mit dem Putzen und dem Kochen aufteilen, wie wir wollen, der Besuch bleibt dabei: Den Haushalt schmeiße ich. Deswegen fühle ich mich verantwortlich. Und als schlechte Hausfrau. Obwohl ich keinen Ehrgeiz habe, eine gute zu sein.

Und deswegen stehe ich auch alle paar Wochen wieder mit dem Schrubber in der Hand in der Wohnung, verschwitzt, nach Putzmitteln riechend. Und nach Selbsthass. Überall da, wo ich den Dreck wegwische, hinterlasse ich kleine Pfützen aus Wut und Ratlosigkeit. Darüber, wie ich es hinkriege, dass es mir egal ist, als beschissene Hausfrau, aber gute Köchin zu gelten - weil ich nicht geputzt und obwohl ich nicht gekocht habe.

Und ich denke jedes Mal wieder darüber nach, die Sauberkeitsregeln in diesem Haus jedem Besucher gleich beim Ankommen um die Ohren zu hauen. Mit einem fein in Kreuzstich gestickten Bild über dem Eingang zu unserer Wohnung, das sagt: A CLEAN HOUSE IS A SIGN OF A WASTED LIFE.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

13 Kommentare

 / 
  • R
    repro

    @bequem_is_nich

     

    besser hätte ich es nicht formulieren können.

     

    wer angepasst in der mitte mitschwimmen will, wo der fluss breit ist, muss zahlen, sprich putzen.

  • B
    bequem_is_nich

    alles was ich hier an zustimmenden kommentaren lese, läuft darauf hinaus, zu glauben, die umgebung "hat schuld". nein, die harmoniesucht angepasster frauen ist grund für ihre (selbst-)ausbeutung als putzfrau und vorzeigeobjekt unter wohnobjekten. seht das endlich mal ein und und wacht auf aus dem dornröschenschlaf. mensch, meine ma ist jahrgang '29 und wusste schon als kind, dass sie den quatsch nicht mitmachen will.

  • S
    Schwäbin

    Vielen Dank für die köstliche Kolumne....

    hab mich selber erwischt und gelacht,aber auch sehr geärgert !Aber mich und die ignorante Umgebung, die meine Kreativität nicht zu schätzen weiß , mich aber an meinem schlamperten haushalt mißt.....

     

    MIST- ich wohne im Ländle, da ist es nicht nur erste Frauenpflicht einen geschleckten Haushalt vorzuweisen , nein frau muss immer noch bei selbigen Rumjammern wie unaufgeräumt es wieder aussieht....hach , um zu hören dass die hausfrau doch gaaaanz toll sei....

     

    Leider , wie schon geschrieben , sehen die Freunde der Kinder nicht über die Staubflusen hinweg, und so hat frau im Dorf schneller den Ruf weg als ihr lieb ist. Egal wie schön ich zeichnen kann, dass ich ich Dudelsakspielen kann und Gitrarre und deshalb lieber meine Zeit damit verbringe....mit dem Ergebnis, bei angesagtem Besuch in hektische Betriebsamkeit zu verfallen , und bei unangesagtem in hektische Überlegung, wie ich diverse Zimmer zur No-go- area machen kann , ohne dass es auffällt.

     

    @repro- wenns so einfach wär...seufz...aber du darfst gerne bei mir vorbeikommen und mir aktib beim Hinterfragen helfen....;-))

  • SI
    Staubkommune in der Spießerstadt

    Also ich habe sehr gelacht, und mich zum Teil wiedererkannt (ich hasse Putzen und liebe Kochen). Es wird übrigens nicht leichter wenn man Kinder hat, die in den Kindergarten gehen oder in die Grundschule, die Freunde mit nach Hause bringen. Denn da macht es schnell die Runde, wenn Mamas die Kleinen abholen "wie siehts denn bei denen aus...". Man kann zwar den eigenen Kinder sagen, "ich verschwende meine Zeit nicht mit Putzen, sondern arbeite oder spiele mit Euch oder genieße meine Freizeit, das ist wichtiger". aber die Sorge vor Ausgrenzung bleibt, und so wird dann doch Großreinegemacht wenn der Besuch kommt...

     

    P.S.: Ich habe jetzt keine Lust auf humorlose Anmachen, ich wäre unemanzipiert. Keine Sorge ich bin ganz gut emanzipiert, und dazu gehört eben auch der individuelle Weg, und das sich Freimachen von den Erwartungen beider Seiten.

  • K
    kerstin

    @repro

    da machst du es dir aber auch etwas einfach.

    ich sage ja nicht, dass ich es so sehe, oder allen dreck nur frauen anlaste. aber, aus kommentaren von vielen anderen leuten, die es so gibt, weiss ich, dass das, ausserhalb von berliner wg's oft 'im normalen leben' so gesehen wird,unbewusst natürlich.

    ich steh nicht auf putzen, sehe es auch nicht als meinen alleinigen job an, kenne aber trotzdem das gefühl, das die autorin beschreibt.

    anyhow, ich habe nur zum ausdruck gebracht, dass ich die kolumne lustig fand und mich damit identifizieren konnte. angegriffen, als aus den unemanzipierten 50ern kommend, muss hier niemand werden. wer mich kennt, weiss, dass ich dem frauchen-klischee garantiert nicht entspreche.

    vielleicht denken gerade mal ein paar andere hier darüber nach, ob sie so emanzipiert sind, wie sie es hier offensichtlich zum alleinigen standard erheben...

    putzige grüße von kerstin

  • R
    repro

    @Kerstin

     

    Warum wird ein dreckiger Haushalt immer nur der Frau angelastet?

     

    Das wird sich solange nicht ändern, wie Frauen dieses Stereotyp selbst produzieren und reproduzieren. Solange sie den Haushalt als ihre Domäne verstehen, Hausarbeit für "Frauenarbeit" halten, und diese Rolle nicht aktiv hinterfragen UND ablegen, wird sich da gar nichts ändern.

  • K
    kerstin

    WOW - ich musste so lachen - es ist soo wahr!

    Warum wird ein dreckiger Haushalt immer nur der Frau angelastet?

    Da auch ich nicht Kreuzstich kann: Wo gibt es das Bild 'A CLEAN HOUSE IS A SIGN OF A WASTED LIFE` zu kaufen ? Bitte, bitte...

  • C
    cleanQueen

    "Ich hatte damals, als Kind und Jugendliche, wie vermutlich so gut wie jedes andere Mädchen gelernt, Sauberkeit und Ordnung seien oberste Bürgerinnenpflicht. "

     

    häh, oberste bürgerinnenpflicht? wo? sie sind wohl ein opfer preußischer erziehungskunst. hätte die nicht rebellion herausfordern müssen? ehrlich, diese kolumne gibt mir immer nur rätsel auf. bitte endlich umbenennen in "die farbe rosa".

  • S
    Schön

    Putzen und ein bissel Lamento über das Binnen-I und die "Feministinnen" sind beschäftigt. Wie praktisch.

  • M
    Michael

    Kann ich bestätigen - wenn der Club der kritischen Hausfrauen (alternativ die kritische Tante Klara) angesagt ist, kann ich Frau nur schwer davon abhalten, das Schrankpapier zu wechseln. Sehr nervig. Anders ist nur, daß bei uns niemand davon ausgeht, daß Frau gekocht hat.

  • B
    Berliner_in

    Wow, was für ein trauriges Bild!

     

    Der Autorin, die sich fürs Putzen verantwortlich fühlt, kann ich nur wüschen, was mir nach der Lektüre des Artikel "Groß sein ist einfach geil" auch schon eingefallen ist: mehr Selbstbewusstsein.

  • B
    betaversion

    tja, frau klingner, wie es aussieht, sind sie weniger emanzipiert, als sie denken. sondern ein mündel der erwartungen anderer leute. es genügt eben nicht, sich als emanzipiert zu bezeichnen, man muss sich auch emanzipiert verhalten. und dazu gehört z.b. die leute darüber aufzuklären, dass ihr mann gekocht hat und die reinlichkeitserwartungen der verwandtschaft auch mal selbstbewusst zu enttäuschen. oder meinen sie, die emanzipation wird ihnen der postmann bringen? die anderen werden es schon erledigen? wer soll denn die stereotype überwinden, wenn nicht sie, frau klingner?

  • S
    Stefan

    Wenns tröstet: geht mir als (Single)Mann ganz genauso :-))

     

    lg, stefan