■ Die FDP und die Wahlen zum Bundespräsidenten: Strategische Unsicherheit
Die unentschiedene Haltung der FDP in der Bundespräsidentenfrage ist Ausdruck einer strategischen Unsicherheit. Die Liberalen sind sich noch nicht einig, ob sie ihr Heil künftig in einer Koalition mit der CDU oder der SPD suchen sollen. Denn natürlich geht es bei der Bundespräsidentenwahl nicht um den geeignetsten Kandidaten, sondern um parteitaktische Überlegungen. Ein eindeutiges Votum für Dagmar Schipanski oder Johannes Rau birgt das Risiko, als Vorentscheidung verstanden zu werden.
Bundespräsidentenwahlen haben eine hohe symbolische Bedeutung. Als sich vor fünf Jahren der Unions-Kandidat Roman Herzog gegen den ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Rau durchsetzte, wurde das als Beginn der Niederlage des damaligen SPD- Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping gewertet. Als sich 1969 die FDP auf die Seite Gustav Heinemanns schlug, wurde damit die sozialliberale Koalition eingeleitet. Heute setzt Partei- und Fraktionschef Wolfgang Gerhardt weiterhin auf die Nähe zur Union. Auch deshalb hat er sich auf Schipanski festgelegt und will seine Partei darauf trimmen, möglichst einheitlich für die Kandidatin der Union zu stimmen. Eine Minderheit strebt dagegen eine Koalition mit der SPD an und will deshalb Johannes Rau. Unterstützt wird sie von Generalsekretär Guido Westerwelle, der die Koalition mit der Union als unangenehm erlebt hat. Ein wichtiger Schritt zur SPD hin wäre, sich bei den NRW-Landtagswahlen im kommenden Jahr als Koalitionspartner der Sozialdemokraten zu empfehlen. Schließlich kommt es für die FDP darauf an, über die Regierungsbeteiligung in den Ländern im Bundesrat ein Machtfaktor und dadurch für die Bundes-SPD interessant zu werden.
Bisher haben die Sozialdemokraten die mutmaßlichen Ambitionen der FDP auf eine Koalition im Bund deshalb so brüsk zurückgewiesen, weil die Freien Demokraten mit drei Regierungsbeteiligungen im Bundesrat eine zu vernachlässigende Größe waren. Die Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft nach der Hessenwahl hat nachdrücklich gezeigt, wie problematisch dies ist. Was nützen die besten Konzepte, wenn die Regierungskoalition sie nicht auch durch den Bundesrat bringen kann? Die symbolträchtige Unterstützung Raus könnte dazu beitragen, das Klima für eine rot-gelbe Koalition in NRW zu schaffen. Regierungschef Wolfgang Clement möchte die Grünen ohnehin lieber heute als morgen abservieren. Die FDP wäre wieder wer. Markus Franz
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