Die FDP ist wieder in. Warum das gut ist: Neo-Power-Sexy-Man
Jung und dumm
von Adrian Schulz
Christian Lindner hat einen postmodernen Midas-Komplex: Alles, was er anfasst, wird zu einem Start-up. So auch er selbst. Fast aus dem Stand hat der bestaussehende FDP-Vorsitzende seit Thomas Gottschalk sich noch das letzte Quäntchen Human Ressource aus der Haarwurzel gefönt, um die target audience zu enchanten. Das ist ihm gelungen. Lindner ist wie Martin Schulz auf Kokain. Er steht für tolle Inhalte. Jede Hausfrau zwischen Erkelenz und Regensburg will ein Toupet von ihm. Außerdem kann keiner so gut den Ton der Rechtsradikalen imitieren wie er (ist aber alles nur Show – halte durch, armer Lindner). In der Uni kleben neuerdings überall Sticker. Darauf steht: Jung, liberal, gutaussehend.
Vorbildhaft macht Superstar Christus Lindner sich selbst zuallererst zur Ware. Unzählige vollgesabberte öffentlich-rechtliche Speichelpfannen sind die stummen Zeugen seines Fetischcharakters. Darin gleicht er einem der großen Serienhelden der Gegenwart: Lindner ist wie Don Draper in Gestalt eines Düsseldorfer Internet-Callboys. Sie erinnern sich – der überaus haarige Mann, der sich vom traumatisierten Bauernkind zum versoffenen Weiberhelden mit Personalverantwortung hochejakuliert, sieben lange Staffeln voll mit heteroaggressivem Sexterror.
Der Erfolg der Marke Lindner kann nur Gutes bedeuten für die krisenumwitterte Bundesrepublik: endlich wieder Leben in der bürgerlichen Bude. Ein starker schöner Mann, der das Ruder, den Lead, übernimmt. Der endlich mal wieder die Core Assets in den Blick nimmt, der die Mindsets gecleart und die Stakeholder geshortet kriegt. Wurde ja auch Zeit. Wie viele sehrgutbezahlte Leistungsträger-Kassiererinnen, wie viele zulagengemästete Fleischereifachschlachter und Deluxe-Premium-Krankenschwestern kratzen, täglich nervöser an Ämtertüren und warten nur darauf, sich von den durch lukrative Steuersenkungen eingesparten Einkommensmilliarden attraktive Lofts und vollschlanke Businesscases kaufen zu können, um ihre Rente zu sichern?
Keine. Aber es geht ja um etwas ganz anderes – um Werte. Wie zum Beispiel, äh, Schnelligkeit und Effizienz. Oder gut geführte Lebensläufe. Freunde, mit denen man ganze Mittagspausen verpowersnacken kann. Jeder Arbeitslose kriegt, verspricht der Volkstribun neuerdings gar, ein kostenloses Leinensakko. Ist das schon Planwirtschaft? Im Gegenzug vollführt Pimmel-Lindner vor Publikum die erste Sparmaßnahme: sich nicht mehr rasieren. Eh total hip grade (in Düsseldorf). Überhaupt: Wer braucht schon Strom? Man kann sich doch auch in der Sonne branden.
Es ist wieder so weit: Die FDP ist voll im Trend. Wer Bescheid weiß, jubelt für sie. Bescheid wissen – das tut diese Kolumne, wie die 28 treuen Leser verinnerlicht haben, aber sowas von; es ist sogar ihr Stilprinzip. Wie passend.
Nach dem fulminanten Wahlerfolg in NRW feiert Deutschlands Avantgarde die Avantgarde-Partei. Die Speerspitze der Revolution hat wieder einen festen Bezugspunkt. Die Börse platzt vor Energie. Meine Kinder wählen FDP.
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