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■ Die FDP bewegt sich nicht, sie schrumpft nach rechtsEine Lage ohne Ausweg

Die FDP hat zuwenig Masse, um noch manövrieren zu können. Was der Partei, die sich systematisch kaputtregiert hat, noch vor nicht allzu langer Zeit als probates Mittel der Regeneration galt, der Gang in die Opposition, ist unter den gegebenen Bedingungen eine tödliche Therapie. Der Patient würde sie nicht mehr verkraften. Deshalb hat der Generalsekretär Westerwelle recht mit seiner Feststellung, die Debatte um Neuwahlen sei eine Geisterdiskussion. Und deshalb hat er unrecht, wenn er die Feststellung damit begründet, daß das heimliche Bauen auf eine absolute Mehrheit der CDU/CSU unseriös sei. Die CDU/CSU hat die absolute Mehrheit bereits jetzt, denn der Koalitionspartner gilt ihr nur noch als Zählmasse, der sie mit ihren Zweitstimmen nochmals in den Bundestag verholfen hat und deren Schicksal nun auf Verderb von ihr abhängig ist. Deshalb sind linksliberale Positionen chancenlos in der Koalition, deshalb konnte die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Kabinett Kohl nicht mehr reüssieren. Sie hätte allenfalls blockieren, aber nichts mehr bewegen können.

Bewegt wird die Partei statt dessen auf eigentümliche Weise von der anderen Seite her. Seit der Kreis um Zitelmann und von Stahl im November 1994 seine „Berliner Positionen“ veröffentlichte, spukt das Gespenst der Haiderisierung durch die Reihen der FDP und verbreitet schwindenden Schrecken. Nun mangelt es dem ehemaligen Generalbundesanwalt zwar nicht an rechtskonservativer Gesinnung, wohl aber am populistischen Erscheiungsbild, um sich mit dem Österreicher messen zu können. Deshalb wird er kaum Chancen haben, den Berliner Parteivorsitz zu erringen.

Eine Niederlage wäre es trotzdem nicht, denn seine Bewegung folgt einer anderen Gesetzmäßigkeit. Indem die Nationalliberalen in der Partei präsent sind und bleiben, verschieben sie die politischen Koordinaten, lassen sie innerparteilich als Mitte-Position erscheinen, was noch vor Jahren als konservativ geschmäht worden wäre. So wurde Gerhardt Vorsitzender, so wurde der Lauschangriff in Angriff genommen, so wird die Änderung des Ladenschlusses zur letzten liberalen Bastion, um die gekämpft wird, bis mit dem eigenen Laden Schluß ist. Rechts oder links ist in der FDP keine Alternative mehr, der Mimikry in der Koalition entspricht das Abschleifen der Partei auf einen konservativen Kernbestand. Keine Richtungsentscheidung, sondern Positionsverschiebung durch Substanzverlust. Dieter Rulff

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