■ Die Diskriminierung ausländischer Seeleute ist rechtens: Die globale Galeere
Ausländische Seeleute auf deutschen Schiffen zu den oft unwürdigen Bedingungen anzuheuern, die in ihren Heimatländern gelten, sei „sittenwidrig und diskriminierend“. So die Gewerkschaften, die vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Reeder klagten. Die Feststellung ist ebenso wahr wie naiv. Denn die Sitten auf dem freien Weltmarkt sind nun einmal nicht so, wie sie die Gewerkschaften gerne hätten.
Kein Arbeitsmarkt ist so global wie der der Hochseeschiffahrt. Hier wurde vorexerziert, was andere Branchen erst in den letzten Jahren in die Praxis umsetzen: die Ausbeutung der Arbeitskräfte aus Billiglohnländern. Während andere Unternehmer dafür ihre Fabriken verlagern müssen, verfügen die Reeder von vornherein über mobile Arbeitsstätten.
Den Unternehmern geht es jetzt wie Goethes Zauberlehrling: Lang riefen sie nach einer Globalisierung der Weltwirtschaft, um jeden möglichen Kostenvorteil aus der Armut der anderen zu ziehen. Inzwischen bleibt ihnen gar nichts anderes mehr übrig, als wo irgend möglich Wirtschaftstätigkeiten auszulagern, damit sie in der internationalen Konkurrenz überhaupt noch bestehen können. Die deutschen Reeder etwa haben die Wahl zwischen Ausflaggen nach Panama oder Liberia und dem Anheuern philippinischer und ghanaischer Seeleute unter deutscher Flagge. Ansonsten bliebe nur, die Flagge ganz zu streichen.
Die Regierungen der Industrieländer, im Gegensatz zur Wirtschaft immer noch nationalstaatlich organisiert, haben jedenfalls schon längst die Flagge gestrichen. Im Inland haben Gewerkschaften immerhin schon früh – und mit Hilfe des Staates – Dumpinglöhne verhindern können. Auf internationaler Ebene hingegen regiert allein die unsichtbare und brutale Hand des Weltmarkts. Den nationalen Regierungen entgleitet mit der Globalisierung der Arbeitsmärkte jede Möglichkeit der sozialen Einflußnahme.
Die Verfassungsrichter konnten gar nicht anders, als dies anzuerkennen. Hätten sie gegen das Zweitregister für ausländische Seeleute entschieden, würde das für die modernen Galeerensklaven mit ihren Löhnen von ein paar hundert Mark monatlich, dem Verbot von Landgang und der Sieben-Tage-Arbeitswoche nichts ändern. Denn dann würden dieselben Seeleute auf denselben Kähnen zu denselben, wenn nicht schlechteren, Bedingungen bloß unter anderer Flagge schuften.
Naiv sind die deutschen Gewerkschaften, weil sie auf deutsche Gerichte hofften, um den Weltmarkt außer Kraft zu setzen. Solange die Welt so ungerecht bleibt, wie sie ist, und die Arbeitgeber dies ungehemmt ausnutzen können, sollten die Gewerkschaften eine alte Weisheit beherzigen: Proletarier aller Gewässer, vereinigt euch! Nicola Liebert
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen