■ Die CSU verschärft in Bayern das Abtreibungsrecht: Gezielter Verfassungsbruch
Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen erhalten keinen Beratungsschein und dürfen nicht abtreiben. Nach dieser Logik bricht die CSU-Mehrheit im bayerischen Landtag mit dem mühsam ausgehandelten Kompromiß zum Bundesabtreibungsrecht und formuliert harte Bandagen für Frauen und ÄrztInnen.
Mit dümmlich-drögen Worten wird allein auf den leidigen Lebensschutz verwiesen. Dieser fordere eine Beratung mit Zwangscharakter, so die CSU-Sozialministerin Barbara Stamm. Wobei sie gleichzeitig darauf verweist, daß der Streit – Mitteilungszwang: ja oder nein – nur theoretischer Natur sei, da die Frauen ihre Gründe sowieso freiwillig darlegten. Das ist Zynismus pur. Weder möchten Frauen gerne eine Beratungsstelle aufsuchen, noch weniger wollen sie zur Offenheit gezwungen werden.
Der bayerische Vorstoß ist bewußter, gezielter Verfassungsbruch. Die geplante Regelung verstößt zum einen gegen den Verfassungsgrundsatz, wonach Landesrecht nicht Bundesrecht brechen – sprich: widersprechen – darf. Zum anderen kollidiert sie mit dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 28.Mai 1995. Sicherlich, wie immer und alles, ist auch dieses Urteil der höchsten Richterinnen und Richter auslegungsfähig und -bedürftig. Eines aber macht dieses Urteil deutlich: Es soll eine sinnvolle Abwägung gefunden werden zwischen den Interessen der Frau und denen des Ungeborenen. Deshalb müssen Frauen eine Beratung zwar aufsuchen. Deshalb dürfen sie darüber hinaus aber nicht unter Druck gesetzt werden. So heißt es im Urteil: „Erwartet wird, daß die schwangere Frau die Tatsachen mitteilt, derentwegen sie einen Abbruch erwägt.“ Daß diese Erwartung einem Zwang nach der Vorstellung Bayerns aber gerade entgegensteht, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Weil brave Mädchen nicht abtreiben, und weil böse Mädchen sich den gesetzlichen Vorgaben – wenn sie erst einmal verabschiedet sein werden – fügen müssen, wird man auf die Initiative anderer hoffen müssen. Und nun? Mit einer Normenkontrollklage zum Bundesverfassungsgericht könnte die Opposition im Bundestag die Regelungen zu Fall bringen. Das läßt zwar hoffen, wäre aber nicht nötig, wenn die gläubigen Bayern nur halb so gesetzes- wie gottesfürchtig wären. Julia Albrecht
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