■ Die CDU/CSU-Fraktion will die EU in ein Kerneuropa und eine Peripherie mit langsamerer Geschwindigkeit aufteilen: Weiter so, Deutschland
Daß man mit kränkenden, herabsetzenden, arroganten Bemerkungen, selbst wenn ihr Kern wahr sein sollte, ganze Länder zur Igelstellung oder gar zu törichten, mörderischen Taten anstacheln kann, sollte gerade uns Deutschen besonders bewußt sein. Nicht umsonst verweisen die Historiker immer wieder darauf, wie Nationalismus, Chauvinismus und dumpfe Stammtischreaktionen auch durch die Überheblichkeit und die mangelnde Sensibilität der umliegenden Großmächte gefördert wurden. Auch Kohls Helmut, der sich gerne als Gröhaz (größter Historiker aller Zeiten) betätigt, spricht von derlei.
Daß Italien einen schweren Rechtsruck durchgemacht hat, daß dort erstmals seit der Demokratisierung Westeuropas Neofaschisten mitregieren und viele Minister auch aus den anderen Parteien inzwischen durchaus nationalistisch denken, mußte Deutschland, haben Europa und die ganze westliche Welt erst vor drei Monaten augenreibend bis entsetzt wahrgenommen. Offenbar wild entschlossen, diesen Prozeß nun nicht durch behutsame Stärkung internationalistischer, integrierender Kräfte einzudämmen, haut die Partei des Gröhaz mit ihrer These von einem Europa der zwei Geschwindigkeiten und der Zuteilung Italiens (und Englands) zur langsameren Kategorie nun auch noch die Reste europagesinnter Kräfte in Stücke. Der Schulterschluß der Italiener um ihre mittlerweile schwer angeschlagene nationalistische Regierung ist eine zwangsläufige Folge.
Natürlich zeugt derlei nicht nur von politischer Instinktlosigkeit, sondern auch von sachlicher Unkenntnis und ökonomischer Borniertheit: Belgien zum Beispiel steht, an den Parametern der Einigung gemessen, schlechter da als Italien und soll gleichwohl in die erste Liga. Doch zu fragen ist, was dahinter steht, wenn eine Gemeinschaft, die sich einst – in im übrigen „römisch“ genannten Verträgen – vorgenommen hat, zu einer grenzenlosen Einheit und unterschiedsloser Gleichheit zusammenzufinden, nun seinen Mitgliedern per Dekret vorschreiben will, wer da „höher“ steht und wer „niedriger“. Nur Wahlkampf? Schützenhilfe für die Rechten? Größenwahn? Oder bloße Dummheit?
Kein Zweifel, daß es in Europa unterschiedlich entwickelte Ökonomien, wirtschaftlich unterschiedlich starke Länder, politisch unterschiedlich bedeutende Staaten gibt: Gerade diese Gefälle machen ja einen Gutteil der Geschäfte aus, die dieser Binnenmarkt verheißt. Die Aufteilung Europas in eine Spitzengruppe höherer Qualität und einen Kreis minderwertigerer Mitglieder aber wird nicht zu einer Sogwirkung führen, bei der die Schwachen den Starken nacheifern und so die Integration beschleunigt wird, wie die CDU behauptet, sondern sie wird im Gegenteil die zentrifugalen Kräfte des Nationalismus stärken. Periphere Länder werden sich – wie Italien es nach den Enttäuschungen der letzten Jahre bereits vorzumachen begonnen hat – bei anderen Nachbarn um Bündnisse bemühen, die ihnen mehr bringen. Am Ende wird dann bestenfalls nicht einmal mehr wie 1957 eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit sechs Mitgliedern bestehen, sondern eine teutonisch- welsche Achse aus gerade noch fünf größenwahnsinnigen Mitteleuropäern. Werner Raith
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