■ Die CDU und ihr Umgang mit jungen Querdenkern: Keine schönen Worte mehr!
Daß Offenheit nicht unbedingt Freunde schafft, hat der 34jährige Bundestagsabgeordnete Stefan Schwarz mit einer Rede vor dem Deutschen Bundestag bewiesen. Während einer Debatte um die Situation der Menschen in Bosnien-Herzegowina am 10. Dezember 1992 hob er sich wohltuend von den diplomatischen Betroffenheitsadressen seiner Kollegen ab. Selbst der letzte Hinterbänkler wachte auf, als er in schonungsloser Offenheit die Menschenrechtsverletzungen der Serben anprangerte und mit dem Satz „Niemand wird sagen können, er hätte nichts gewußt“ an das Gewissen der Parlamentarier appellierte. Jetzt bekam er für seine Popularität und seine Unbequemlichkeit die Quittung: Er verlor bei der Kandidatenaufstellung für den nächsten Bundestag den Kampf um den rheinland-pfälzischen Wahlkreis Neuwied und Altenkirchen gegen einen 54jährigen.
Die Absage für diesen engagierten Youngster ist ein Menetekel für die Union. Zwar ist die Entscheidung demokratisch zustande gekommen, gleichzeitig wird durch sie aber klar, daß die Forderungen nach einer notwendigen Verjüngung in vielen Parteitagsreden und Leitanträgen zu Lippenbekenntnissen verkommen. Kohl und sein pastoraler Generalsekretär geraten gerne in Verzückung darüber, daß die Unionsfraktion auf 26 Abgeordnete unter 35 Jahren in ihren Reihen verweisen kann. Augenwischerei, wissen doch beide, daß diese (positive) Tatsache nicht auf der Grundlage eines neuen Denkens in der CDU/CSU zustande kam, sondern weil die Grünen nach der letzten Wahl an der Fünfprozenthürde scheiterten. Ein wahres „Meisterwerk“ liefert die Ideenküche der CDU-Zentrale auch mit dem Entwurf ihres neuen Grundsatzprogrammes: Unter 44 DIN-A4-Seiten findet sich der Bereich „Jugend“ auf einer knappen halben Seite wieder mit Selbstverständlichkeiten wie „Jugendpolitik ist Politik für die Zukunft“!
Der Fall Schwarz zeigt: Die Zeit der schönen Worte ist vorbei! Der Kanzler muß handeln und dafür sorgen, daß Stefan Schwarz und andere junge, engagierte Menschen auch auf Landeslisten abgesichert werden. Geschieht dies nicht, verspielt die Union ihren selbst gerne formulierten Anspruch, die Zukunft zu gestalten. Holger Doetsch
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