■ Die Bosnien-Kontaktgruppe schlägt vor:: Belgrad soll Grenzen anerkennen
Etwas in Bewegung gebracht hat der kroatische Präsident Franjo Tudjman schon. Seine im Januar vorgetragene und inzwischen vom kroatischen Parlament gebilligte Forderung nach Abzug der UNO- Truppen aus Kroatien noch in diesem Frühjahr hat die internationalen Gremien aufgeschreckt. Und an dem von Washington ausgehenden Vorschlag, die Wirtschaftssanktionen gegen Serbien aufzuheben, wenn Serbien sich entschließt, Kroatien und Bosnien- Herzegowina in ihren (Vorkriegs-)Grenzen anzuerkennen, bestätigt sich die Erfahrung, daß gegenüber den internationalen Verhandlern und Gremien nur aufgetrumpft werden muß, um etwas zu erreichen.
Und dies wäre nicht wenig: schlicht und einfach das Ende des großserbischen Traums. Kroatien würde wieder die Kontrolle über die von Serben eroberten Gebiete erhalten, und in Bosnien-Herzegowina müßte Karadžić den Plan der Kontaktgruppe anerkennen. Der bosnisch-herzegowinische Staat würde – wahrscheinlich zwar in veränderter Form, doch immerhin – weiterbestehen. Was auf dem Schlachtfeld für Serbien gewonnen war, würde im Frieden verloren sein. Und deshalb ist das Angebot für die serbischen Machthaber in Belgrad, Pale oder Knin völlig unakzeptabel. Was natürlich alle, ob in Washington, Paris, London, Bonn oder Moskau, wissen.
Warum also das Ganze? Wie immer dreht es sich um Zeitgewinn für die eine oder andere Seite. Diesmal brauchen die internationalen Institutionen Zeit. Vor allem die Vereinten Nationen. Denn ein Rückzug der UNO-Truppen aufgrund der Forderung Tudjmans würde die ohnehin bestehende Fiktion einer „friedensstiftenden“ Wirkung der UNO-Truppen vor Ort aller Welt deutlich machen. Sie wäre eine katastrophale Niederlage für die Weltorganisation. Und sie würde manchen europäischen Mittelmächten, die sich in der UNO-Struktur vor Ort einen wichtigen Platz sicherten, vor allem Großbritannien also, aller Einflußmöglichkeiten auf den Gang der Dinge auf dem Balkan berauben.
Doch der Vorschlag zielt noch auf etwas anderes. Sollte nämlich die Forderung Tudjmans nach Abzug der UNO-Truppen den Weg für eine serbisch-kroatische Annäherung auf Kosten Bosniens geebnet haben, ist jetzt ein Markierungspunkt gesetzt. In Washington und Bonn scheint man also aufgepaßt zu haben. Denn die Aufteilung Bosniens zwischen Kroatien und Serbien wäre das endgültige Aus für die Muslime. Mit der Forderung nach Anerkennung der Vorkriegsgrenzen dürfte also zur Abwechslung mal allein die Regierung in Sarajevo zufrieden sein. Erich Rathfelder
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