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■ Die Berliner Sozialdemokratie weiter kopflosGroße Auswahl, aber keine Wahl

Zu wählen gibt's derzeit jede Menge in der Berliner Sozialdemokratie, doch hat sie deshalb eine Wahl? Staffelt ist wie Stahmer auf dem linken Flügel beheimatet, die meisten anderen Epigonen dito. Beckmesser sind sie allemal, zu Personalpolitik jederzeit bereit, doch zur Richtungsentscheidung müssen sie getragen werden. Links sind sie, weil sie seit Jahren der gleichen donnerstäglichen Kungelrunde angehören und sich zur anderen Truppe, der rechten – genannt die Britzer – abgrenzen. Spuren haben sie in der Stadtpolitik der letzten Jahre nicht allzu viele hinterlassen. Ein einziger Sozialdemokrat, Stadtbaudirektor Stimmann, hat jenseits von Fraktion und Partei die Metropole Berlin mehr geprägt als alle wackeren Parteitagsbeschlüsse zusammen. An ihn wird man sich erinnern, wenn man in zehn oder in fünfzig Jahren durch die Friedrichstraße läuft.

Den Mangel an konzeptioneller Kraft, das zeigt das Beispiel Stimmann, der von Lübeck an die Spree kam, kann durch klugen Personaleinkauf kompensiert werden. Ein Mangel an klarer politischer Richtung kann jedoch fatal sein, wenn man in den Wahlkampf geht. Das hat sich bei Scharping im Falle Sachsen-Anhalts gezeigt. Bei der Berliner Wahl 1995 sind die Optionen der SPD in höherem Maße als beim Bundeswahlkampf an die Stärke der PDS gekoppelt. Mit der Fortführung ihrer Politik der Abgrenzung verdammt sich die SPD – in Anbetracht von 34 Prozent PDS-Wählern im Ostteil der Stadt – zur Handlungsunfähigkeit. Eine Neuauflage der Großen Koalition wäre vorprogrammiert. Gerade wegen der Stärke der PDS ist eine Änderung der Strategie so unabdingbar wie risikobehaftet. Weniger das „Rote Socken“-Gegröle der CDU ist das Problem, sondern die personelle Schwäche der SPD im Ostteil der Stadt. Dort behauptet sich ein Häuflein Sozialdemokraten durch strikte Abgrenzung gegen die Übermacht der PDS.

Das Beispiel Scharpings sollte die Berliner SPD lehren, für strategische Klarheit zu sorgen, bevor sie in den Wahlkampf geht. Für den Februar hatte Staffelt eine Urwahl des Spitzenkandidaten angesetzt. Dieses vermeintlich urdemokratische Vorgehen hätte ihm, so ganz nebenbei, lästige Nebenbewerber von außen wie den Daimler-Chef Edzard Reuter vom Leibe gehalten. Denn so zerstritten die Berliner Sozis sind, eine Einmischung des Bundesverbandes haben sie sich bislang noch immer verbeten. Auch die Diadochen wollen unter sich bleiben, obgleich aus ihrem Kreis keiner in der Lage wäre, den closed shop der Kungelrunden aufzubrechen und der Auseinandersetzung um Staffelts Nachfolge einen Hauch politischer Qualität zu verleihen. Wenn es dabei bleibt, wäre eine Urabstimmung über das Verhältnis der Berliner SPD zur PDS bei weitem spannender als die Wahl zwischen Stahmer, Strieder, Dzembritzki, Nagel, Bergmann, Momper... Dieter Rulff

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