Die Bayern vor dem CL-Finale: Tempo ohne Limit
Die Form des FC Bayern hat System. Auch wenn überall Jupp Heynckes als Urheber gefeiert wird, hilft ein Fitness-Experte aus der Ex-DDR kräftig mit.
Es ist eine Szene, die für die gesamte Saison des FC Bayern steht. Linksverteidiger David Alaba bahnt sich seinen Weg durchs Mittelfeld des FC Barcelona und wirft einen kurzen Blick auf Frank Ribéry. Sein Pass findet die Lücke in der Abwehrreihe des spanischen Champions und den mitgelaufenen Franzosen. Eine scharf getretene Flanke später drischt Abwehrrecke Gerard Piqué den Ball vor dem einschussbereiten Mario Mandzukic ins eigene Netz. Es ist das Paradebeispiel für das, was Kommentatoren ein „erzwungenes Tor“ zu nennen pflegen.
Der Sieg gegen die sonst so erfolgsverwöhnten Katalanen im Halbfinalrückspiel der Champions League ist eine weitere Machtdemonstration der Elf von Jupp Heynckes, die zuvor auch in der Bundesliga fast jeden Gegner an die Wand gespielt und zahlreiche Rekorde gebrochen hat: frühester Meister aller Zeiten (28. Spieltag), die meisten Saisonsiege (29 Spiele) und die längste Siegesserie in einer Saison (14 Spiele), um nur die wichtigsten zu nennen. Einzig den Torrekord der Bundesliga konnten die Spieler des FC Bayern nicht einstellen. Mit 98 Toren fehlten ihnen vier Treffer, um den eigenen Höchstwert aus der Saison 1971/72 zu toppen.
Der Erfolg des heutigen FC Bayern hat gewiss viel mit Heynckes zu tun, der die Mannschaft taktisch perfekt einstellte und nach dem verlorenen Champions-League-Endspiel gegen den FC Chelsea auch mental wieder aufrichtete. Auffällig sind aber auch Ausdauer und Schnelligkeit seiner Spieler.
Wie der Erzrivale aus Dortmund hat der FC Bayern sein Spielsystem so ausgerichtet, dass er seine Gegner früh attackiert und blitzartig von Abwehr auf Angriff umschaltet. Die Bayern sind eine Kopie, die derzeit besser ist als das Original. In Wembley soll der Triumphzug nun weitergehen. Mit einem Sieg im Champions-League-Finale – ausgerechnet gegen Borussia Dortmund.
Erfolgsrezept Fitness
Der Erfolg der Bayern ist neben Heynckes auch mit Sportvorstand Matthias Sammer verbunden. Mit ihm hat sich der Verein von der Säbener Straße vor rund einem Jahr einen Verantwortlichen geholt, der die körperliche Fitness für das höchste Gebot im Profifußball hält.
Bereits als Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes vertrat er die Auffassung, dass sie ein wesentlicher Punkt für den Erfolg sei. Um diesen Ansatz auch beim FC Bayern durchzusetzen, arbeitet er dort neben drei Fitnesstrainern auch mit einem Sportwissenschaftler zusammen. Dr. Karsten Schumann ist die rechte Hand von Sammer und ein alter Bekannter aus DDR-Zeiten.
Auch beim DFB vertraute Sammer schon auf seine Dienste. Schumann ist für die Überwachung der Leistungen zuständig. Er wertet Daten aus, visualisiert und analysiert sie und reicht sie an die sportliche Führung weiter. In der aktuellen Saison, in der sich die Bayern souverän die Schale holten, zeigen die Kurven in seinen Präsentationen deutlich nach oben.
Wie aus den Statistiken des Fußball-Daten-Dienstleisters Impire hervorgeht, die auf bundesliga.de zu finden sind, sprinteten die Bayern-Stars in der jetzigen Saison 164 Mal pro Spiel über den Platz. In der Saison 2011/2012 waren es nur durchschnittlich 150 Mal. Auch die gesprintete Strecke stieg an: von 2,9 auf 3,2 Kilometer. Dass die Bayern mit ihrem Spiel einen größeren Aufwand betreiben als noch in der vergangenen Saison, belegen zwei weitere Statistiken über die Durchschnittsgeschwindigkeit und die während des Spiels zurückgelegten Kilometer.
113,8 Kilometer pro Spiel
So bewegten sich die Spieler des Rekordmeisters in der Saison 2011/2012 mit 6,8 Stundenkilometern über den Platz und legten dabei zusammen 112,9 Kilometer pro Spiel zurück. In der aktuellen Saison haben sich beide Werte leicht erhöht. Das Tempo liegt bei 6,9 Stundenkilometern, die gelaufenen Kilometer pro Spiel bei 113,8. Es ist sicherlich nicht außergewöhnlich, dass einzelne Werte zwischen zwei Spielzeiten schwanken. Dass sich aber alle vier Werte gleichzeitig verbessert haben und trotz häufigerer Sprints auch mehr gelaufen wurde, ist bemerkenswert.
Um die Fitness der Profis noch weiter zu verbessern, bemüht sich der Verein um die Besten der Zunft. Für eine Verpflichtung des Leverkusener Fitness-Coaches Holger Broich dachten die Bayern laut Medienberichten sogar darüber nach, Nachwuchstalent Emre Can im Tausch ins Rheinland zu schicken. Auch wenn der Deal platzte, zeigen die Verhandlungen, welche Mittel der FC Bayern einsetzt, um die Fitness seiner Spieler zu pushen. Auf dass der Henkelpott nach 2001 endlich wieder an die Isar kommt.
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