piwik no script img

■ Die Aufgabe der USA in Somalia besteht darin, traditionelle Autoritäten gegen die Banden zu stärkenNahrung als Waffe

Somalia gibt den USA immense Chancen, ihre Führungsrolle gegenüber kleinen Ländern zu beweisen. Aber die Entsendung einer so großen Truppe beruht auf einigen gefährlichen Mißverständnissen. Die erste ist, daß Somalia als Land zur Hölle gefahren wäre und von zielloser Gewalt und dem massenweisen Verhungern der Menschen bestimmt würde. Tatsächlich finden diese Schrecken nur in einem begrenzten Teil Somalias statt, besonders in einem Dreieckskorridor im Südwesten zwischen der Hauptstadt Mogadischu und den Regionen um Baidoa und Kismaju. Der Rest des Landes ist relativ friedlich und wird durch eine Allianz traditioneller Ältester und lokaler Führer, die im Zuge des Zusammenbruchs der zentralen Autorität erneut emporstiegen, gut regiert. In diesen Landesteilen militärisch zu intervenieren wäre überflüssig und unvorsichtig. Was dort gebraucht wird, ist sofortige humanitäre Hilfe und langfristige Wirtschaftszusammenarbeit. Dies kann leicht in bereits funktionierende Verteilungssysteme integriert werden.

Ein zweites weitverbreitetes Mißverständnis ist, daß Somalia voller warlords stecke. Im ganzen Land gibt es nur einen, der diese Bezeichnung verdient: General Aidid. Und selbst er hat keine oberste Autorität über einen Haufen Anhänger, die er entweder zum Schlachtfeld oder zum Verhandlungstisch führen könnte. Auf Unterstützung kann er nur so lange hoffen, wie er Plünderer zum nächsten Dorf führen kann. Sobald ihm die Macht genommen wird, werden seine Anhänger ihn wahrscheinlich verlassen. Die anderen, kleineren warlords können leicht geschlagen werden. Ein drittes Mißverständnis ist, daß die warlords in ihren Heimatgebieten operieren und die Unterstützung der lokalen Bevölkerung genießen. Das ist nicht der Fall. Das „Todesdreieck“ ist besetztes Gebiet, voller nomadischer Banden aus anderen Landesteilen. Die örtlichen Bewohner sehen sie als unterdrückerische Eroberer. Die US-Intervention wird als Befreiung beurteilt werden.

Während die Aufgabe der Befriedung und Stabilisierung Somalias recht leicht zu erreichen ist, gibt es mehrere mögliche falsche Schritte, die vermieden werden sollten. Etwa den, bei den Somalis den Eindruck zu erwecken, ihr Land sei im Begriff, von den USA rekolonisiert zu werden. Die zweite Herausforderung ist die des politischen Islam. Ein zerstörtes Land wie Somalia bringt messianische Bewegungen hervor, und der von Sudan und Iran gestützte politische Islam ist in Somalia eine politische Kraft. Die dritte Gefahr besteht in dem Risiko, daß US-Truppen als Förderer der einen oder anderen Kriegspartei wahrgenommen werden könnten. Dies könnte für die Amerikaner zur tödlichen Falle werden, indem es mehrere warlords dazu inspiriert, sich in einem Bündnis gegen sie zusammenzuschließen.

Der Schlüssel zur Umgehung dieser Risiken beginnt mit Lebensmitteln. In Somalia ist Nahrung Macht – ökonomische und politische –, und wenn sie zur Belohnung oder Bestrafung dient, kann sie einen mächtigen Friedensstimulus hervorbringen. Der andere Schlüssel ist die Institution der „Ältesten“, das traditionelle somalische Regierungsinstrument. Die somalische Tragödie kann direkt auf ein Mißverhältnis zwischen der moralischen Autorität der Ältesten und hohen Klanführer und der von selbsternannten warlords angewandten physischen Zwangsgewalt zurückgeführt werden.

Nötig ist daher ein Aktionsprogramm, das die politische und wirtschaftliche Macht der Nahrung mit der moralischen Autorität der Ältesten kombiniert. Dazu sollte die Interventionstruppe Schutzzonen im Todesdreieck schaffen. Die Ältesten der Region sollten zusammengeführt und die Nahrungsmittelverteilung in ihre Hände gelegt werden. Sie sollten dann ermuntert werden, eigene Polizeitruppen mit ausländischer technischer Unterstützung aufzustellen, die ausgebildet werden können, die volle Verantwortung für die Sicherheit der Region zu übernehmen. Dann könnten die ausländischen Truppen relativ schnell abziehen. Said Samatar

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen