■ Die Anderen: Der Wiener "Standard" hält die Aufregung um die PDS für übertrieben / "Liberation" kommentiert die indischen Atomtests / Zum Berlinbesuch von Bill Clinton schreiben "La Repubblica" und "Le Figaro"
Der Wiener „Standard“ hält die Aufregung um die PDS für übertrieben: CDU-Generalsekretär Peter Hintze darf tun, was er schon im Wahlkampf 1994 ad nauseam durchgezogen hatte: vor einer „tiefroten Volksfront“ warnen und den Sozialdemokraten bedenkliche Nähe zu den Kommunisten vorwerfen. Angesichts solcher Strategien muß man sich fragen, wen Hintze mit seiner Neuauflage der „Rote Socken“- Kampagne noch erschrecken will. Die PDS hatte bereits die letzten vier Jahre in Sachsen-Anhalt mit einigem Anstand eine SPD-Regierung toleriert, ohne daß die Deutschen die Republik in ihren Grundfesten erschüttert sahen. Welche Gefahr für die Demokratie soll denn von den letzten Fähnlein der deutschen Lenin-Freaks eigentlich noch real ausgehen? Dennoch rutscht den SPD-Granden um Gerhard Schröder unverständlicherweise das Herz in die Hose.
„Libération“ kommentiert die indischen Atomtests: Die fünf Explosionen von Rajasthan haben nicht nur den Mythos der Allwissenheit der US-Satelliten pulverisiert, sie haben vor allem die atomare Weltordnung auseinanderfliegen lassen, die Washington seit 1989 durchzusetzen versucht. Diese Ordnung war natürlich weitgehend fiktiv, denn sie erkannte als offizielle Atommächte nur die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats an. Aber gleichzeitig ließ sie schamhaft den Fall der erwiesenen, aber nicht offiziellen Atommächte wie Israel, Indien oder Pakistan im Schatten, bei denen man die Hoffnung nicht aufgab, sie mit der Zeit zur Umkehr überreden zu können. Mit einem Schlag ist diese ganze Politik der „Nichtverbreitung“ zusammengebrochen.
Zum Berlinbesuch von Bill Clinton schreibt „La Repubblica“: Vielleicht hätte niemand besser als ein Kennedyaner in Berlin, wie es Clinton ist, ein so herzliches Lob für die neue deutsche Rolle aussprechen können. Für Kohl bedeutet der Segen des Chefs der einzigen Supermacht, das Gefühl, als die diplomatische, wirtschaftliche und politische Nummer zwei der Welt befördert zu werden, einen zweifachen Erfolg: im Inneren mit Blick auf die Bundestagswahlen, aber auch nach außen bei den Verhandlungen mit den europäischen Partnern. Die Botschaft Clintons an Schröder ist klar: Beim Machtwechsel nicht vom großen Plan Kohls abweichen.
„Le Figaro“ schreibt dazu: 50 Jahre nach der Luftbrücke ist Clinton nach Berlin gekommen, um die besondere Freundschaft zu demonstrieren, die die USA mit Deutschland verbindet. Er ist auch gekommen, um seinen Freund Helmut Kohl zu unterstützen, den alle Umfragen bei der Wahl im September als Verlierer sehen. Kohl wird diese kleine Hilfestellung zu schätzen wissen.
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