■ Die Anderen: "Financial Times" zur möglichen Übernahme der Versicherungsgruppe AGF, "La Stampa, Les Dernieres Nouvelles d'Alsace und die Berliner Morgenpost" zum EU-Beschäftigungsgipfel
Zum Übernahme-Angebot des deutschen Versicherungskonzerns Allianz für die französische Versicherungsgruppe AGF meint die Londoner „Financial Times“: Dieses Zusammengehen der Versicherungs- Riesen wird als Vorbereitung auf den Euro und den Gemeinsamen Markt dargestellt. Ähnliche Entwicklungen im Bereich der finanziellen Dienstleistungen in Europa werden zweifellos gleichlautend begründet. Die Erfahrung der Vergangenheit läßt aber Skepsis über solche Mega-Abkommen wachsen. Könnte es nicht sein, daß die Dinosaurier der Industrie in gegenseitiger Umarmung Trost suchen, weil eine von Liberalisierung und neuer Technologie ausgelöste Welle die traditionelle Geschäftspraxis bedroht?
Zum EU-Beschäftigungsgipfel schreibt „La Stampa“: Arbeitslose aufgepaßt: In Europa geht ein Gespenst um, ein Etwas, das gleichzeitig da und nicht da ist, acht Seiten Papier, die man in die Hand nehmen, durchblättern und sogar lesen kann. Das Dokument ist ein Nicht-Dokument, die Vorschläge der 15 EU-Staaten, um ihren 18 Millionen Arbeitslosen Beschäftigung zu verschaffen, sind Nicht-Vorschläge. Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs wird vielleicht ein Nicht- Gipfel. In Luxemburg wird sich die Existenz eines Nicht-Europa bestätigen. Die Beschäftigung wird weiterhin die Dimension der Nicht-Beschäftigung haben. Europa wird wie Odysseus auf der Flucht vor dem einäugigen Giganten leugnen zu existieren.
Auch „Les Dernieres Nouvelles d'Alsace“ aus Straßburg erwartet vom EU-Gipfel wenig: Wird Europa für immer und ewig ein Koloß auf tönernen Füßen bleiben? Die 15 Mitgliedsstaaten sind die führende Wirtschaftsmacht der Welt. Eine Macht, die aber unfähig ist, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Bei dem Sozialgipfel werden die Europäer wie bei einem Hochamt erbauliche Predigten über die tausendundeinen Möglichkeiten hören, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Die einen predigen die Verringerung der Arbeitszeit, die anderen Flexibilität, die dritten die Planwirtschaft und die vierten den Liberalismus. Einen Trost wird es sicherlich geben – zum Beispiel in Form von Fonds, die für innovative kleine und mittelständische Unternehmen bereitgestellt werden. Doch mehr nicht. Der Grund ist ganz einfach: Europa spricht nicht mit einer Stimme.
Die „Berliner Morgenpost“ bevorzugt nationale Wirtschaftslösungen: Trotz aller Beschwörungen auf dem Europa-Gipfel wird es dabei bleiben, daß Beschäftigungspolitik zu Hause gemacht wird. Sie ist in diesem Sinne Teil einer Wirtschaftspolitik, die eine ausgewogenen Entwicklung im Auge behalten muß. Nur wenn Stabilität, Außenhandel und Wachstum gewahrt sind, profitiert auch die Beschäftigung. Die alte Bundesrepublik hat damit in den achtziger Jahren zwei Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen.
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