■ Die Anderen: „La Repubblica“ zum deutsch-italienischen Konflikt über die kurdischen Flüchtlingen / Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zu Glogowskis Idee, das Schengen-Abkommen auszusetzen / Das „Handelsblatt“ über die deutsche Haltung zu Europa und Asyl
Zum deutsch-italienischen Konflikt im Zusammenhang mit den kurdischen Flüchtlingen schreibt die römische „La Repubblica“: Jetzt sind wir im Zusammenhang mit der Kurdenfrage beim Ultimatum der Bonner Regierung an die Adresse Italiens angekommen. So definiert die deutsche Presse selbst die Forderungen von Innenminister Manfred Kanther nach stärkeren Grenzkontrollen. Italien, Frankreich und der Rest Europas sollten sich dringend über die Zukunft der europäischen Integration befragen, wenn deutsche Spitzenpolitiker solche Töne nicht nur bei internen Auseinandersetzungen und im Wahlkampf normal finden, sondern auch im Verhältnis zwischen souveränen Staaten. Wie weit ist sich Deutschland – wirtschaftlich, demographisch, finanziell und politisch die Nummer eins in Europa – eigentlich noch bewußt, daß dieses Gewicht nicht das Recht zur imperialen Arroganz gegenüber den Partnern verleiht?
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kommentiert Glogowskis Idee, das Schengen-Abkommen auszusetzen: Angesichts der kurdischen Flüchtlinge, die es nach Westeuropa zieht, fehlt es nicht an wohlfeilen Rezepten. Ein besonders einfacher Vorschlag ist wieder einmal aus Hannover zu vernehmen: Der niedersächsische Innenminister Glogowski fordert die Aussetzung des Schengen-Abkommens. Das Wahljahr hat begonnen. Die Chance, Bundesinnenminister Kanther abermals auf einem Feld unter Druck zu setzen, das oft als Domäne der Unionsparteien betrachtet wird, wollen sich die Kampfgefährten des Kanzlerkandidatkandidaten Schröder nicht entgehen lassen. Während Kanther sich abmüht, die filigrane Mechanik des Schengener Vertragssystems zu erläutern, und er dabei auf einzelne Reparaturen dringt, verheißt der Ruf, doch zunächst einfach den Ausschalter zu betätigen, heftigen Applaus in der Bevölkerung.
Das „Handelsblatt“ kritisiert die deutsche Haltung in bezug auf Europa und Asyl: Seit Jahren bemüht sich die Europäische Union nahezu erfolglos darum, eine gemeinsame Antwort auf das Problem plötzlich einsetzender Flüchtlingsströme aus angrenzenden Regionen zu finden. Heute die Kurden, gestern die Albaner, davor die Opfer aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg, morgen vielleicht die Algerier. Ein abgestimmtes Konzept für Krisenfälle, geschweige denn eine gerechte Lastenverteilung, ist auf EU-Ebene bisher stets am Eigeninteresse der Mitgliedstaaten gescheitert. Die bislang letzte Gelegenheit, hier Abhilfe zu schaffen, wurde versäumt, als – vor allem auf deutsches Drängen – auf dem Gipfeltreffen von Amsterdam eine weitreichende Vergemeinschaftung des Asylwesens auf unbestimmte Zeit vertagt wurde. Jetzt einseitig die „Solidarität“ Italiens einzufordern, wäre zu kurz gegriffen.
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